Öffentliche Warnsysteme Alarmierung in Krisen per digitalem Public Warning

Von Andreas Junck* |

Verlässliche Informationen können Leben retten – das zeigt sich aktuell in der Corona-Pandemie. In manchen Ländern verbreiten sich falsche medizinische Hinweise mit teils tödlichen Folgen noch schneller als der Virus selbst.

Deutschland setzt im Notfall vielfach noch auf Sirenen, statt auf digitales Public Warning.
Deutschland setzt im Notfall vielfach noch auf Sirenen, statt auf digitales Public Warning.
(Bild: © Tierney - stock.adobe.com)

Auch hierzulande fällt es angesichts der Flut an irreführenden oder ungenauen Nachrichten, die vor allem über die sozialen Medienkanäle verbreitet werden, vielen Menschen schwer, zwischen Mythen und Fakten zu unterscheiden. Diese „Infodemie“, wie sie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt, ist zu einem weltweiten Problem geworden und raubt Hilfsorganisationen unnötig Ressourcen, die eigentlich besser für die Bekämpfung des Coronavirus eingesetzt werden sollten. Wenn vertrauenswürdige Quellen und zuverlässige Informationen in der Masse untergehen, ist einerseits die Mobilisierung von Menschen in einer Krisensituation wie der derzeitigen Corona-Pandemie gefährdet. Andererseits lassen sich im Notfall Rettungspläne und andere Maßnahmen nur schwer umsetzen.

Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten ist Deutschland, was ein einheitliches Notfallsystem betrifft, im gewissen Sinne fast ein Entwicklungsland. Während wir bei der Alarmierung noch auf Sirenen, Fernsehen, Radio, Internet oder Apps verschiedener Anbieter vertrauen, nutzen beispielsweise Island, die Niederlande, Neuseeland, Schweden und Norwegen bereits ein öffentliches Warnsystem auf Basis der bestehenden Telekommunikationsinfrastruktur, ohne dass eine Registrierung oder ein Opt-in der einzelnen Nutzer erforderlich ist.

Alarmierungslösung vs. App

Norwegen hat jüngst das letzte der drei heimischen Mobilfunknetze eingebunden und maßgeblich zur landesweiten Kommunikation rund um COVID-19 eingesetzt. So wurden in der Hochphase vom zuständigen Gesundheitsdirektorat rekordverdächtige 5,4 Millionen Nachrichten an alle Mobiltelefone Norwegens verschickt, zudem Nachrichten in Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Polnisch und Russisch an alle im Land befindlichen „nicht-norwegischen“ Telefone. So können auch die rund acht Millionen Besucher pro Jahr erreicht werden. Eine moderne Alarmierungslösung erkennt automatisch die Nationalität einer Person über ihr Mobilgerät, ohne dass dazu personenbezogene Daten erforderlich sind.

Eine App dagegen, die in Deutschland oftmals als Lösung propagiert wird, hat zahlreiche Nachteile: Erst einmal ist es aufgrund der unterschiedlichen Funktionen und geografischen Abdeckungen mit der Installation einer Lösung nicht getan. Noch kritischer: Jeder muss die App selbst installieren und die entsprechenden Funktionen einrichten. Wenn schon die wenigsten Deutschen eine solche Anwendung auf ihrem Mobilgerät eingerichtet haben, wird es bei ausländischen Besuchern – abgesehen von den Sprachbarrieren – nicht besser aussehen.

Einführung eines digitalen Warnsystems binnen eines Jahres

Die COVID-19-Pandemie könnte in Verbindung mit der neuen Richtlinie zum Europäischen Kodex für elektronische Kommunikation (European Electronic Communication Codex, kurz EECC) allerdings ein Ansporn für die Einführung eines Warnsystems in Deutschland sein. Bis zum 21. Juni 2022 sollen alle EU-Mitgliedsstaaten über eine digitale Lösung verfügen, mit der sie 95 Prozent der Bevölkerung über ihr Handy erreichen. Dieses System soll im Falle einer Naturkatastrophe, eines Terroranschlags oder eines anderen schweren Notfalls Warnungen über das öffentliche Mobilfunknetz unabhängig vom Provider und dem Endgerät an alle Menschen in der betroffenen Region schicken. Public Warning wird damit zu einem nützlichen Kommunikationstool.

Unabdingbar ist dabei, die Nachrichten über Mobiltelefone schnell an alle gefährdeten Personen in der eigenen Sprache zu verbreiten, idealerweise innerhalb von Minuten nach einem Notfall. Darüber hinaus verlangt die EECC-Richtlinie, dass ein bidirektionaler Kommunikationsfluss möglich sein muss. Das heißt, die Notfallbehörden müssen mit den Menschen kommunizieren können, um zu überprüfen, ob sie in Sicherheit sind, oder um ihre Notrufe entgegenzunehmen.

Fakt ist, das Mobiltelefon ist heute das beste Mittel, um die Bevölkerung zu erreichen und sie über Verhaltensregeln bei besonderen Vorfällen zu informieren. In Zeiten der Corona-Pandemie können das aktualisierte Meldungen zu Virus-Hotspots, Hinweise für Risikogruppen, Störungen im Verkehrs- und Bildungswesen sowie anderen kritischen Dienstleistungen, aber auch die Koordination von Ersthelfereinsätze und Ressourcen des Gesundheitswesens sein.

Andreas Junck ist Director of Sales DACH bei Everbridge.
Andreas Junck ist Director of Sales DACH bei Everbridge.
(Bild: Everbridge)

*Der Autor, Andreas Junck, ist Director of Sales DACH bei Everbridge in München.

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