DigiG und GDNG Bundeskabinett beschließt Digitalgesetze

Von Natalie Ziebolz Lesedauer: 5 min

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Mehr Forschungsmöglichkeiten und digitale Lösungen im Gesundheitssektor – diese Ziele verfolgen die heute vom Kabinett verabschiedeten Digitalgesetze. Nun hängt alles von ihrer Umsetzung ab.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die Digitalgesetze als Fundament für ein zukunftsfähiges, digitales Gesundheitssystem
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht die Digitalgesetze als Fundament für ein zukunftsfähiges, digitales Gesundheitssystem
(Bild: BMG/Thomas Ecke)

Auf Schloss Meseburg hat das Kabinett heute die Entwürfe für das „Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digital-Gesetz – DigiG) sowie des „Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) beschlossen und damit die Weichen für ein digitalisiertes Gesundheitswesen gestellt.

„Die Digital-Gesetze sind das Fundament digitaler Versorgung und Forschung in unserem Gesundheitssystem. Damit starten wir sowohl im Versorgungsalltag wie in der Forschung eine Aufholjagd und bauen in Deutschland eine der modernsten medizinischen Digitalinfrastrukturen in Europa auf“, bekräftigte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. „Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass ihre Gesundheitsdaten überall sicher genutzt werden, um sie besser zu versorgen. Und Wissenschaftler sollen sicher sein, dass sie in Deutschland die beste Voraussetzung für ihre Forschung bekommen.“

Aufschwung für ePA und E-Rezept

Kernaspekt des Digitalgesetzes ist die Einführung der ePA als Opt-out-Variante – auch Unternehmen der PKV sollen demnach eine widerspruchsbasierte ePA anbieten können. Der Verband der privaten Krankenkassen hatte zuvor noch kritisiert, dass knapp neun Millionen (rund zehn Prozent) der in Deutschland Krankenversicherten, im Gesetzentwurf nicht vorgesehen seien und damit das Ziel „ePA für alle“ nur verfehlt werden könne.

Auch der Verband der Ersatzkrankenkassen (vdek) begrüßt die Einführung der Opt-Out-Regelung. Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner gibt jedoch zu bedenken, dass es nun darauf ankomme, die ePA sowohl für die Versicherten als auch für Ärztinnen und Ärzte mit einer positiven User Experience zu verknüpfen. „Nur wenn die Beteiligten feststellen, wie wertvoll ein zentraler Speicherort für alle Gesundheitsdokumente ist, werden sie mehr und mehr davon Gebrauch machen. Hier haben Software-Hersteller eine zentrale Aufgabe.“

„Das Einloggen in die elektronische Patientenakte muss vereinfacht werden“, konkretisiert Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK). „Wie Patienten es von anderen Apps gewohnt sind, muss die Identifikation auch in der Akte per Gesichtsscan oder Fingerabdruck möglich sein. Für Ärztinnen und Ärzte muss die Akte schnell und komfortabel zu befüllen sein. Die ePA darf nicht zum Zeitfresser in der Arztpraxis werden.“

„Damit die ePA mit all ihren Vorteilen akzeptiert wird, benötigen die gesetzlichen Krankenkassen Zeit für die Vorbereitung, die Information und die Aufklärung ihrer Versicherten. Um keine unrealistischen Erwartungen zu wecken, sollte die Einführung der ‚ePA für alle‘ zum 1. Juli 2025 erfolgen“, gibt Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, zudem zu bedenken.

Die ePA bildet schließlich die Grundlage für weitere Vorhaben: In ihr enthalten sein wird eine automatisch erstellte, digitale Medikationsübersicht. „In enger Verknüpfung mit dem E-Rezept werden so ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln besser vermieden und Ärztinnen und Ärzte im Behandlungsprozess unterstützt“, so das Bundesgesundheitsministerium. Das E-Rezept wird ab 1. Januar 2024 der verbindliche Standard in der Arzneimittelversorgung. Die Nutzung für die Versicherten per elektronischer Gesundheitskarte und ePA-App soll dafür stark vereinfacht werden.

Weitere Aspekte des DigiG:

  • Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sollen tiefer in die Versorgungsprozesse integriert und ihr Einsatz transparent gemacht werden. „Mit der Ausweitung der DiGA auf digitale Medizinprodukte der Risikoklasse IIb werden sie auch für komplexere Behandlungsprozesse – z.B. für das Telemonitoring – genutzt werden können“, so das BMG.
  • Mengenbegrenzungen bei der Telemedizin werden aufgehoben, um deren Akzeptanz zu verbessern. „Mit der assistierten Telemedizin wird außerdem ein niedrigschwelliger Zugang zur Versorgung geschaffen.“
  • Künftig soll ein Digitalbeirat die Gematik bei Festlegungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Dieser setzt sich aus Vertretern des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), der Medizin und Ethik zusammen.

Den detaillierten Gesetzesentwurf zum DigiG können Sie hier einsehen:

Auf der nächsten Seite: Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz

Daten für Forschung und Versorgung

Das GDNG dient hingegen künftig als Grundlage für die Datennutzung im Gesundheitswesen. Dadurch sollen die medizinische Versorgung verbessert werden und der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland Aufschwung erhalten. Als zentrale Zugangsstelle soll dabei eine Datenzugangs- und Koordinierungsstelle fungieren. Hier werden auch erstmalig Daten aus verschiedenen Datenquellen miteinander verknüpft.

„Im Gesundheitssystem werden an den unterschiedlichsten Stellen Daten über Patientinnen und Patienten abgelegt. Damit sie aber auch tatsächlich einen Mehrwert für die Gesundheit bringen können, müssen sie verfügbar sein“, so Dr. Baas. „Hier bringt das Gesetz entscheidende Änderungen. Zukünftig können Daten aus der elektronischen Patientenakte für die Forschung und Versorgung verwendet werden. Das ist wichtig, um beispielsweise Präventions- und Versorgungsangebote individuell am Bedarf von Versicherten auszurichten.“ Dafür soll auch die Datenfreigabe aus der ePA per Opt-Out-Variante laufen und auch Kranken- und Pflegekassen dürfen diese Daten verarbeiten – vorausgesetzt, die Nutzung dient nachweislich dem individuellen Schutz der Gesundheit der Versicherten.

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„Die erweiterten Möglichkeiten bei der Nutzung von Gesundheitsdaten haben das Potenzial, die Prozesse in der Forschung zu beschleunigen und die Erkenntnisse schneller im Behandlungsalltag ankommen zu lassen“, so Elsner. „Richtig ist auch, dass die Krankenkassen mehr Möglichkeiten erhalten, Daten auszuwerten und sie für die gezielte Beratung zum Ausschluss schwerwiegender Gesundheitsgefährdungen ihrer Versicherten zu nutzen. So können sich bei der Zusammenführung der sektorenübergreifenden Daten der Krankenkassen Risiken zeigen, die nur so erkannt werden.”

Zudem ist geplant,

  • die federführende Datenschutzaufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben auf alle Gesundheitsdaten auszuweiten. Die Koordinierung soll dabei bei einem Landesdatenschutzbeauftragten liegen.
  • das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim BfArM weiterzuentwickeln.

„Jetzt wird es darauf ankommen, die Chancen der beiden Gesetze auch zu nutzen: Wir müssen vor allem Menge und Qualität der verfügbaren Gesundheitsdaten auf ein international vergleichbares Niveau bringen“, mahnt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Und wir müssen die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der forschenden Gesundheitswirtschaft nutzen, um auf Basis von Daten Diagnosen zu verbessern, Therapien zu individualisieren und neue Behandlungen ‚made in Germany’ zu entwickeln. Das geht nur, wenn wir uns an international etablierten Standards orientieren und hier bringen und die Digitalgesetze im Gesundheitswesen einen großen Schritt voran.“

Weitere Details können Sie im Gesetztesentwurf nachlesen:

Ausblick: Medizinforschungsgesetz

Mit den beiden Gesetzen ist jedoch noch nicht Schluss. „Im Anschluss an diese beiden Gesetze, die jetzt ins Kabinett gehen, werden wir noch dieses Jahr ein Medizinforschungsgesetz zur umfassenden Beschleunigung von klinischen Studien vorlegen“, erklärte Lauterbach. „Mit diesen Reformen starten wir einen Fasttrack, um Krebsforschungsstudien, Demenzstudien durchzuführen und andere wichtige Forschungsfragen in der Medizin zu beantworten. Mein Wunsch ist es, dass wir KI – am besten ‚Made in Germany’ – einsetzen, um in der Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinprodukten wieder Spitze zu werden.“

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