Digitalisierung des Gesundheitswesens Da ist noch Luft nach oben
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens birgt eigentlich großes Potenzial, um sowohl die Verwaltung als auch die Behandlung und Pflege der Patienten zu verbessern – wären da nicht zahlreiche Hemmnisse, die die Entwicklung verzögern. Ein aktuelles Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation hat sich diese genauer angeschaut und Handlungsempfehlungen ausgesprochen.
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Was lange währt, wird endlich gut? Bereits zu Beginn des Jahrtausends wurde die erste gesetzliche Regelung zur Digitalisierung des Gesundheitswesens verabschiedet: das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Modernisierungsgesetz). Heute, 19 Jahre später, liegt Deutschland dennoch weit hinter anderen europäischen Ländern zurück und belegt in Benchmarking-Studien nur einen Platz im unteren Drittel. Das aktuelle Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) beschäftigt sich daher in diesem Jahr auch mit den Hemmnissen der Digitalisierung im Gesundheitswesen und der Frage, wie diese vorangebracht und deren Innovationspotenziale ausgeschöpft werden können.
Von fehlenden Gesamtstrategien und verteilten Zuständigkeiten
Klar wird, dass die Gründe für den Rückstand in Deutschland vielschichtig gelagert sind. An erster Stelle spielt dabei die Infrastruktur des hiesigen Gesundheitssystems eine Rolle: Dieses setzt sich aus einer Vielzahl an heterogenen Akteuren zusammen – darunter die Leistungserbringer, Patienten, Krankenhäuser, Apotheken sowie gesetzlichen Krankenkassen. Gleichzeitig sind auch die Zuständigkeiten verteilt. „Zwar wurden mit der Telematikinfrastruktur 2.0, der Medizininformatikinitiative und den Konsortien NFDI im Bereich der Gesundheitsforschung in den vergangenen Jahren Initiativen auf den Weg gebracht, die die Vernetzung der Akteure auf nationaler und europäischer Ebene erhöhen sowie die Nutzbarmachung von Daten verbessern sollen. Jedoch fehlt bisher eine Gesamtstrategie zur Digitalisierung des Gesundheitssystems“, heißt es in dem Gutachten.
Um dieses Hemmnis abzubauen, bedarf es der im Koalitionsvertrag bereits angekündigten Digitalisierungsstrategie. Diese, so die Empfehlung der Expertenkommission, müsse rasch – unter Einbeziehung aller Stakeholder – entwickelt und umgesetzt werden. Dabei sollten nicht nur die jeweiligen Zuständigkeiten festgelegt, sondern auch Meilensteine definiert und ein Zeitplan für die Umsetzung erarbeitet werden. Gleichzeitig sollte die Strategie auch ein kontinuierliches Monitoring des Umsetzungsfortschritts sowie dessen Veröffentlichung vorsehen. „Für die Umsetzung der Strategie bedarf es einer koordinierenden Stelle mit möglichst weitreichenden Durchsetzungskompetenzen“, hält das Gutachten fest. Es sei sorgfältig zu prüfen, ob diese Rolle der Gematik, die laut Koalitionsvertrag zu einer digitalen Gesundheitsagentur ausgebaut werden soll, zugewiesen werden kann. Dafür spricht jedenfalls, dass die Expertenkommission auch empfiehlt, der Etablierung interoperabler und internationaler Standards im Rahmen der Strategie Raum zu lassen. Mit dem Interop Council gibt es hier bereits ein Gremium, dass bei der Gematik angesiedelt ist und sich genau diesem Thema widmet.
Daten, Daten, Daten
Eine weitere Hürde stellt darüber hinaus das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz, -sicherheit und -nutzung dar – schließlich handelt es sich bei Gesundheitsdaten häufig um sensible personenbezogene Daten. Diese sind laut Artikel 9 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) besonders schützenswert. Hinzu kommen zahlreiche Landesdatenschutzgesetze, „die von den Landesdatenschutzbeauftragten im Hinblick auf die Weitergabe und Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke unterschiedlich ausgelegt werden“. Dies trage zu Rechtsunsicherheit bei und verzögere die Durchführung von datenabhängigen Forschungsprojekten.
„Allerdings erlaubt die DSGVO Handlungsspielräume auf nationaler Ebene. So zeigt ein Blick auf andere europäische Länder wie Estland und Dänemark, dass die DSGVO allein keinen Hinderungsgrund für die Datenverwendung im Gesundheitswesen darstellt“, so die EFI. Die Expertenkommission begrüßt daher das im Koalitionsvertrag angekündigte Gesundheitsdatennutzungsgesetz, hält jedoch gleichzeitig fest, dass die DSGVO-konforme Nutzung so gestaltet werden müsse, dass der administrative Aufwand für die Wissenschaftler möglichst gering sei.
Dabei spielen natürlich auch die Daten der elektronischen Patientenakten (ePA) eine Rolle. Aktuell ist die Nutzung dieser noch auf freiwilliger Basis – 419.760 gesetzlich Versicherte machen davon Gebrauch – und bedarf der aktiven Zustimmung des Nutzers (Opt-in-Verfahren). Laut Koalitionsvertrag ist jedoch die Einführung eines Opt-out-Verfahrens geplant. Dies wird von der Expertenkommission begrüßt. „Um jedoch die mit den ePA-Daten verbundenen Potenziale heben zu können, sollte für Versicherte auch die Möglichkeit der Freigabe der Daten – insbesondere für Forschungszwecke, aber auch für den Datenaustausch zwischen Versorgung und Forschung – möglichst niederschwellig gestaltet werden“, so das Gutachten.
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