KBV-Brief an das BMG Der Streit um den eRezept-Rollout geht weiter

Von Natalie Ziebolz

Kommt das eRezept noch dieses Jahr? Die neuesten Pläne der Gematik weisen zumindest darauf hin, dass im September die Einführung in einigen Bundesländern verpflichtend wird. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wehrt sich jedoch gegen den Plan und richtet sich mit ihren Bedenken direkt an den Gesundheitsminister.

Anbieter zum Thema

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen reagieren mit großem Unverständnis auf die Pläne der Gematik, das eRezept noch in diesem Jahr stufenweise einzuführen
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen reagieren mit großem Unverständnis auf die Pläne der Gematik, das eRezept noch in diesem Jahr stufenweise einzuführen
(© viperagp – stock.adobe.com)

Ab September soll das eRezept stufenweise eingeführt werden – zumindest wenn es nach der Gematik geht. Die Organisation hatte der Gesellschafterversammlung Anfang Mai eine entsprechende Beschlussvorlage vorgelegt. Demnach beginnt der Rollout in Bayern und Schleswig-Holstein: Hier soll die Umsetzung des digitalen Rezepts bereits ab 1. September 2022 verpflichtend sein. Wann und wie die anderen Bundesländer folgen, ist noch nicht bekannt. Ende Mai soll jedoch endgültig über die geplante Einführung entschieden werden.

„Praxistauglichkeit nicht nachgewiesen“

Dass die Gematik die Beschlussvorlage ohne Absprache auf den Weg gebracht hat, stößt der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sauer auf. In einem Brief an Prof. Dr. Karl Lauterbach werden die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) daher deutlich: „Die Praxistauglichkeit des eRezepts in den Testvorhaben ist bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nachgewiesen“, heißt es in dem Schreiben.

Die Beschwerdeführer stützen ihre Kritik dabei auf den Fakt, dass in der Testphase lediglich 30.000 erfolgreich verarbeitete eRezepte gefordert werden. Nach der Einführung müssen jedoch jährlich rund 750 Millionen digitale Verordnungen verarbeitet werden. Das Vorhaben sei daher erkennbar zum Scheitern verurteilt und gefährde die Praxisabläufe erheblich. „Insgesamt ist unser Anspruch beim eRezept wie bei allen anderen Prozessen, dass Prozesse, die heute funktionieren, nur dann durch andere Prozesse abgelöst werden können, wenn diese nachweislich ebenfalls reibungslos funktionieren“, erklären die Vorstände.

Ähnlich formulierte es auch Lauterbach vor kurzem noch: Der Gesundheitsminister hatte damals die Einführung des eRezepts auf unbestimmte Zeit verschoben, da die digitale Anwendung zunächst „einen spürbaren Nutzen für Arzt und Patienten“ haben sollte.

Lauterbach zum Handeln aufgefordert

Zudem habe das Gesundheitsministerium der KBV erst vor wenigen Wochen versichert, dass Digitalisierung im Gesundheitswesen in Abstimmung mit den Akteuren erfolge und Anwendungen erst nach ausreichender Erprobung eingeführt würden. „Vor diesem Hintergrund möchten wir Sie bitten, weiteren Akzeptanzverlusten bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen in der Kollegenschaft entgegenzutreten, auf die Gematik einzuwirken, ihren Beschlussvorschlag zurückzuziehen und aufzufordern, einen Roll-out-Prozess für das eRezept zu konzipieren, mit dem gewährleistet werden kann, dass das eRezept die Abläufe in den Arztpraxen und die Versorgung der Patientinnen und Patienten nicht beeinträchtigt und elektronische Verordnungen gesichert möglich macht und dieses mit den Gesellschaftern abzustimmen“, schreiben die Vorstände. Das aktuelle Vorgehen der Gematik stelle schließlich auch „eine klare Missachtung von Gematik-Beschlüssen“ dar.

Gematik sieht Testkriterien erfüllt

Angesichts der Kritik hat sich auch die Gematik nochmals zur Causa eRezept zu Wort gemeldet: Dabei verweist die Organisation darauf, dass die Gesellschafter gemeinsam Zielkriterien vereinbart hätten, die vor einem flächendeckenden Rollout erfüllt werden müssten. Da dies voraussichtlich im Spätsommer der Fall sein wird, seien die Gesellschafter seit mehreren Wochen im Austausch bezüglich möglicher Einführungsszenarien – darunter auch mögliche regionale Stufungen und zeitliche Abfolgen.

„Die Gematik ist vom Bundesgesundheitsministerium beauftragt, die unterschiedlichen Vorschläge der Gesellschafter in einem konkreten Entwurf zusammenzufassen“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen wurde bei der letzten Gesellschafterversammlung jedoch vertagt. Stattdessen wurde um weitere Ausarbeitungen auf der Arbeitsebene der Gesellschafter gebeten. „Eine Gesellschafterversammlung zum weiteren Vorgehen ist aktuell für Ende Mai anberaumt“, so die Gematik.

Gleichzeitig betont die Organisation, dass die Abwicklung des eRezepts überall, wo die technischem Voraussetzungen gegeben sind, problemlos funktioniert. „Die in den Qualitätskriterien geforderten 99,9 Prozent Verfügbarkeit des Fachdienstes und des Identity Providers sind eingehalten, schwere Fehler sind seit geraumer Zeit ausgeräumt“, heißt es in der Stellungnahme und weiter: „Ein Großteil der Softwareanbieter hat bereits erfolgreich in der Praxisumgebung eRezepte erstellt beziehungsweise eingelöst. Außerdem sind alle gesetzlichen Krankenkassen in der Lage, eRezepte entgegenzunehmen und abzurechnen. Retaxierte eRezepte aus technischen Gründen sind nicht bekannt. Die von den Gesellschaftern gemeinsam vereinbarten Voraussetzungen für eine flächendeckende Nutzung werden damit zeitnah erfüllt sein.“

(ID:48327235)