Rezension Ganzheitlicher Blick auf die Medizin der Zukunft

Autor Susanne Ehneß |

Das Sammelwerk „Smart Hospital“ zeigt, dass Kliniken durch die Digitalisierung nicht nur medizintechnisch voranschreiten, sondern auch humaner und empathischer arbeiten können.

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Cover von „Smart Hospital“
Cover von „Smart Hospital“
(© MWV)

Der Titel „Smart Hospital“ macht klar, worum es in diesem Buch geht: um die Digitalisierung der Kliniklandschaft. Vorreiter ist hierbei die Universitätsmedizin Essen, die seit 2015 ihre digitale Transformation massiv anschiebt. Die Herausgeber des Buches – Prof. Dr. Jochen A. Werner, Prof. Dr. Michael Forsting, Thorsten Kaatze­ und Andrea Schmidt-Rumposch – sind allesamt in Essen tätig und damit Experten auf dem Gebiet „Smart Hospital“.

Empathische Medizin

Die Herausgeber lassen Pioniere und Visionäre zu Wort kommen, die sich nicht allein auf die pure Digitalisierung beschränken, ­sondern eine grundsätzliche Umwälzung des Gesundheitswesens propagieren. „Es geht vielmehr ­darum, durch den Einsatz von ­modernen, ja – zum Teil disruptiv empfundenen – digitalen Techniken in der Medizin wieder Raum für eine empathische Medizin zu schaffen“, betont beispielsweise Dr. med. Anke Diehl, Digital-Change-Managerin in Essen, in ­ihrem Kapitel über Genderaspekte. „Eine Medizin, in der der Mensch im Mittelpunkt steht.“

Die Ärzte sollen dabei durch die digitalen Möglichkeiten unterstützt, nicht ersetzt werden. Dr. Bernd Montag , CEO von Siemens Healthineers, nennt als Beispiel den Autopiloten – „er unterstützt den Piloten, der alle wesentlichen Entscheidungen trifft“. Denn: „Wer würde gern in ein Flugzeug ohne Auto­piloten einsteigen?“

Verändertes Berufsbild

Mit der Technik verändern sich auch die Berufsbilder von Ärzten und Pflegekräften. Vielleicht muss nicht jeder Medizinstudent parallel Informatik studieren, doch mehr IT-Wissen wird auch in die medizinische Ausbildung einfließen müssen. Für den Radiologen Dr. Felix Nensa, der tatsächlich zusätzlich Informatik studierte und als freiberuflicher Softwareentwickler arbeitete, ist diese Entwicklung unausweichlich: „Wenig herausfordernde Routinetätigkeiten werden zunehmend an KI-Assistenz delegiert und die ­Rolle des Radiologen zu der des Supervisors und Integrators werden.“ Er hält es für denkbar, „dass die verschiedenen diagnostischen Fachrichtungen wie z. B. die Radiologie, die Nuklearmedizin, die Pathologie oder die Labormedizin weiter zusammenrücken, ihr Profil­ hinsichtlich Datenwissenschaften und IT erweitern und schließlich zu klinischen Informationsspezialisten oder Superdiagnostikern werden“.

Impulsgeber

Das Buch ist mit 312 Seiten und 39 Beiträgen umfangreich, aber anschaulich gestaltet. Es geht um die Zukunft der Medizin allgemein, aber auch um Abläufe im Gesundheitswesen, um Forschungs- und Pilotprojekte, Architektur, Kommunikation, Telemedizin, Apps, künstliche Intelligenz, Cyberkriminalität, New Work, Wirtschaftlichkeit, Medizintechnik und ethische Aspekte. Eine wilde Mischung, die aber im Kontext hervorragend funktioniert und einen ganzheitlichen Blick auf den Status quo und die Zukunft der Medizin ermöglicht – ganz im Sinne der Zielsetzung des Essener Uniklinikums. „Wir befassen uns nicht nur mit der Umsetzung der digitalen Revolution in konkreten medizinischen Anwendungen, sondern sehen uns auch als ‚Think Tank‘ und Impulsgeber über den klinischen Alltag hinaus“, schreibt Prof. Dr. Werner in seinem Vorwort. Und genau solche Impulse­ bietet dieses Werk.

„Smart Hospital. Digitale und empathische Zukunftsmedizin“, 2020, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

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