Debatte im Bundestag „Wir-machen-das-Leben-einfacher-Gesetze" – Bundestag berät zu DigiG und GDNG

Von Nicola Hauptmann Lesedauer: 5 min |

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„Endlich!“ – war häufig der Tenor der Redebeiträge in der ersten Bundestagsdebatte zum Digitalgesetz und zum GDNG. Zustimmung kam auch aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion. Skepsis dagegen äußerten die beiden anderen Oppositionsparteien, die Linke brachte zudem einen eigenen Antrag zur ePA ein.

Gesundheitsdatennutzungsgesetz und Digitalgesetz sind im Bundestag angekommen: Am 9. November wurden beide Entwürfe erstmals beraten.
Gesundheitsdatennutzungsgesetz und Digitalgesetz sind im Bundestag angekommen: Am 9. November wurden beide Entwürfe erstmals beraten.
(© Noppasinw – stock.adobe.com)

In der Debatte des Bundestags standen am Donnerstag erstmals die Gesetzentwürfe der Bundesregierung „zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ (Digital-Gesetz – DigiG) und „zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG) auf der Agenda.

Beide Gesetze hätten ziemlich komplizierte Namen, begann Matthias David Mieves (SPD), seinen Redebeitrag, dabei sollten sie doch genau das Gegenteil bewirken. Er habe sich daher entschieden, den Gesetzen einen neuen Namen zu geben: „Wir-machen-das-Leben-einfacher-Gesetze“. Einfacher werden solle es für Patientinnen und Patienten, für Mitarbeitende in Pflege und Gesundheitswesen und auch für Forschende. Wie – das verdeutlichte er an konkreten Beispielen, etwa am Fall eines Krebspatienten, der sich bei drei verschiedenen Ärzten dreimal der gleichen Blutuntersuchung unterziehen musste. Das sei nicht nur unangenehm für Patienten, sondern koste auch Zeit, genauso wie das wiederholte Ausfüllen und Abtippen von Papierformularen – und damit solle jetzt Schluss sein, so Mieves.

Stellvertretend für den erkrankten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach führte Gesundheits-Staatssekretär Dr. Edgar Franke (SPD) die Gesetzentwürfe ein. Er betonte, dass Daten unerlässlich seien, um gegen Volkskrankheiten wie Krebs, Demenz oder Diabetes gewappnet zu sein; Digitalisierung werde die Arbeit erleichtern und die Versorgung verbessern. „Das Herzstück der Gesetze ist die elektronische Patientenakte. Dieses Herz wird nun beginnen, im Alltag zu schlagen“, sagte Franke, um anschließend auf die Vorteile der ePA einzugehen: Statt unzählige Male immer die gleichen Formulare auszufüllen, muss die Krankengeschichte nur noch einmal erhoben und dann jeweils aktualisiert werden – ein Zeitgewinn. Die Medikationsübersicht in der Patientenakte gibt einen schnellen und vor allem aktuellen Überblick über alle eingenommenen Medikamente – ein „enormer Gewinn für die Patientensicherheit.

Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz wiederum solle Klarheit schaffen – während sich bislang viele nicht trauten, Gesundheitsdaten zu nutzen. Zugleich bereite es einen Paradigmenwechsel vor: „Wir wollen ein System, das nicht nur Erkrankungen behandelt, wir wollen ein System, das viel früher hilft“, sagte Franke mit Bezug auf die (umstrittene) Regelung, dass Krankenkassen ihre Versicherten künftig auf Risiken hinweisen können.

Internationale Datenstandards werden verpflichtend

Mit den beiden Digitalisierungsgesetzen im Gesundheitswesen löse man ein Versprechen endlich ein, das die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vor 20 Jahren gegeben habe, sagte Maximilian Funke-Kaiser (FDP). „Geben wir den Versicherten und den Leistungserbringern also die Lösung, die sie verdienen, nämlich dass sie sich ihr bevorzugtes Sicherheitsniveau endlich eigenverantwortlich auswählen können.“ Es müsse Schluss sein mit „gut gemeinter, aber schlecht gemachter staatlicher Bevormundung“, so der FDP-Politiker weiter. Die ePA solle weiterentwickelt werden, letztlich zu einem „persönlichen Gesundheitsdatenraum“.

Im GDNG sieht er einen Meilenstein nicht nur für die Gesundheits-, sondern auch für die Digitalpolitik in Deutschland, weil es erstmals Datenstandards klar vorgebe und deren Einhaltung auch verpflichtend mache. Internationale Standards wie FHIR seien etabliert und es werde Zeit, dass sie auch endlich im deutschen Gesundheitswesen Einzug fänden.

Deutschland habe viel Zeit in der Entwicklung von Digitalisierung im Gesundheitswesen verloren, sagte Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) „Wir laufen den Entwicklungen im Schnitt 15 Jahre in Europa hinterher – damit ist jetzt Schluss, mit diesen Gesetzen holen wir auf“, so Dahmen. Mit der Einführung der ePA sorge man dafür, dass die Menschen, über die bereits heute fragmentiert Daten erhoben und an verschiedenen Stellen gespeichert werden, endlich auch Einblick in diese Daten bekämen. Patienten und Patienten erhielten praktisch eine Datenbrille und könnten sehen, was über sie gespeichert sei und selbst entscheiden, wer Einblick in diese Daten hat.

Die Grünen-Abgeordnete Dr. Anna Christmann legte den Fokus auf die Forschungsdatennutzung und die Auflösung von Datensilos, auch durch Verknüpfung mit anderen Registerdaten, wie zum Beispiel dem Krebsregister. „Wir brauchen eine breite Datengrundlage, damit die Forschung diese auch nutzen kann“, so Christmann,

Telemedizin ist mehr als Videosprechstunde

Die Unionsfraktion teilt grundsätzlich die Ziele der Reform, meldete jedoch auch Änderungsbedarf in einigen Punkten an. So sei die Aufnahme unstrukturierter Daten in die ePA fragwürdig, sagte Erwin Rüddel (CDU/CSU), weil diese Daten nicht systematisch durchsucht und ausgewertet werden könnten. In Bezug auf die Telemedizin springe der Gesetzentwurf zu kurz, deren Anerkennung als gleichwertig zu analogen Leistungen dürfe nicht auf Videosprechstunden begrenzt werden. "Gerade auch telemedizinische oder softwaregestützte Konsile sollten grundsätzlich und für alle medizinischen Richtungen zur Verfügung stehen", so Rüddel.

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Linke und AfD dagegen stehen den Gesetzesvorhaben eher skeptisch gegenüber. Den gläsernen Patienten lehne man ab, sagte etwa Kathrin Vogler (Die Linke). Sie warnte vor einer möglichen Stigmatisierung von Patienten mit bestimmten Krankheiten und nannte das geplante Opt-Out-Verfahren bei der ePA unverantwortlich. Denn die Daten sollten nicht nur für Behandelnde zur Verfügung stehen, sondern auch noch an Dritte weitergegeben werden, wie etwa Versicherungen, Pharmaunternehmen oder Marktforschungsinstitute. „Es gibt ein unermessliches kommerzielles Interesse an diesen unseren Gesundheitsdaten“, so Vogler.

In ihrem Antrag „Elektronische Patientenakte zum Wohl der Versicherten nutzen“, der ebenfalls in der Sitzung beraten wurde, forderte die Fraktion Die Linke zusätzliche Regelungen zugunsten der Versicherten bei der Nutzung der ePA, die das höhere Maß an Verbindlichkeit durch die Opt-out-Variante flankieren sollten. Unter anderem müsse auch für Menschen ohne Smartphone oder Onlinezugang oder mit eingeschränkten Nutzungskompetenzen ein Widerspruch gegen eine elektronische Patientenakte sehr einfach möglich sein. Für die Weitergabe der persönlichen Gesundheitsdaten dürfe keine Opt-out-Regelung eingesetzt werden.

Beide Regierungsvorlagen sowie der Antrag der Linken-Fraktion wurden anschließend zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen.

Hintergrund

Kern des Digitalgesetzes (DigiG) der Bundesregierung ist die elektronische Patientenakte (ePA). Diese soll ab 2025 für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet werden und es wird auf das Opt-out-Verfahren umgestellt: Wer die Akte nicht nutzen möchte, kann widersprechen. Die ePA soll weitgehend automatisiert mit strukturierten Daten aus medizinischen Befunden und Informationen befüllt werden. Umgesetzt werden soll zunächst der digital gestützte Medikationsprozess, dann sollen die Elektronische Patientenkurzakte (ePKA) und die Labordatenbefunde folgen. Weitere wichtige Punkte sind die Etablierung von Telemedizin als fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung und die stärkere Nutzung Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) mit einem Leistungsanspruch auch auf digitale Medizinprodukte höherer Risikoklassen, etwa für Telemedizin-Monitoring. Ab 1. Januar 2024 soll zudem das E-Rezept verbindlicher Standard werden.
Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) soll die Nutzung von Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke durch klare Regelungen vereinfachen und somit auch die Forschung stärken. Dazu ist vorgesehen, eine dezentrale Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle aufzubauen. Auch die Datenfreigabe aus der elektronischen Patientenakte soll nach dem Opt-Out-Prinzip erfolgen.

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