Interoperabilität im Gesundheitswesen bvitg fordert einheitliche Standards für Vernetzung

Redakteur: Julia Mutzbauer

Der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) fordert einen konstruktiv-sachlichen Dialog mit Selbstverwaltung und Politik zum Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen. In seinem neuen Positionspapier mit dem Titel „Voraussetzungen für eine vernetzte Versorgung“ hat der bvitg zusammengefasst, welche konkreten Schritte im deutschen Gesundheitssystem folgen müssen.

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Der Bundesverband Gesundheits-IT ist der Meinung, dass die Interoperabilität im Gesundheitsbereich das Ziel hat die Versorgung zwischen Behandlern, Einrichtungen und Sektoren wirtschaftlich gewährleisten zu können
Der Bundesverband Gesundheits-IT ist der Meinung, dass die Interoperabilität im Gesundheitsbereich das Ziel hat die Versorgung zwischen Behandlern, Einrichtungen und Sektoren wirtschaftlich gewährleisten zu können
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Laut bvitg ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen auf eine system- und sektorübergreifende Vernetzung angewiesen, um ihr volles Potenzial entfalten zu können. Damit diese Interoperabilität möglich werde, brauche es für alle Beteiligten verbindliche, eindeutige Vereinbarungen und Regeln, so der bvitg.

Der Geschäftsführer des bvitg Sebastian Zilch
Der Geschäftsführer des bvitg Sebastian Zilch
(© bvitg)

Sebastian Zilch, Geschäftsführer des bvitg erklärte dazu weiter: „Zwar bietet Interoperabilität auch im Gesundheitsbereich große Potenziale, wird allerdings häufig interessengetrieben interpretiert und soll teils überladene Anforderungen erfüllen“. Er führte weiter aus: „An erster Stelle brauchen wir deshalb Klarheit darüber, wie eine vernetzte Versorgung hierzulande aussehen soll. Darauf aufbauend muss dann eine entsprechende eHealth-Strategie ausgearbeitet werden, die eindeutige und planbare Ziele vorgibt.“

16 Thesen für eine bessere Vernetzung

In seinem Positionspapier fordert der bvitg folgende Punkte:

  • 1. Die Selbstverwaltung und alle weiteren durch die Gesetzgebung beauftragten Organisationen sowie geförderte Projekte sollten verpflichtend auf verfügbare, nach Möglichkeit praxiserprobte Standards auf der Basis internationaler Erfahrungswerte zurückgreifen.
  • 2. Sofern international existierende Lösungen noch nicht vollständig auf den deutschen Anwendungsfall passen, sollten im Rahmen der etablierten Prozesse der Standardisierungsorganisationen einheitliche deutsche Erweiterungen entwickelt und verpflichtend genutzt werden.
  • 3. Die Bundesregierung sollte das Engagement in den Standardisierungsorganisationen finanziell fördern und gemeinsam mit der Industrie an europäischen Projekten (z. B. Empfehlungen der Kommission zur Patientenakte) mitwirken. Gleichzeitig müssen die weltweit etablierten und bewährten Prozesse einer qualitätsgesicherten Entwicklung von Standards respektiert und die Rahmenbedingungen der Standardisierung in dem jeweiligen nationalen Projekt berücksichtigt werden.
  • 4. Die operative Ebene der gematik muss insbesondere in Bezug auf die Praxistauglichkeit ihres Handelns gestärkt werden und die Gesellschafterversammlung ihren Fokus künftig auf ausschließlich strategische Entscheidungen legen.
  • 5. Die Industrie und die Standardisierungsgremien müssen in der gematik – auch organisatorisch – eine deutlich stärkere Stimme erhalten. Die aktuelle Ausgestaltung der Partizipation der Industrie im Beirat der gematik ist unzureichend und daher zeitnah zu reformieren.
  • 6. Die künftigen Spezifikationen der gematik müssen prinzipiell auf internationalen Standards aufsetzen und in internationalen Gremien mitentwickelt werden.
  • 7. Die Verfahren rund um Vesta müssen neu gefasst werden. Die Selbstverwaltung darf nicht länger ohne Bewertung und Validierung der Experten proprietäre Eigenentwicklungen in das Verzeichnis einstellen dürfen.
  • 8. Der Prüfauftrag an die Vesta-Experten sollte neben einer Konsistenzprüfung auch die Anschlussfähigkeit an international etablierte Lösungen und Standards beinhalten.
  • 9. Vesta soll einen Überblick über die zurzeit existierenden Schnittstellen und Standards bieten. Hierfür müssen die eingereichten Profile und Leitfäden zeitnah veröffentlicht und zur Kommentierung freigegeben werden. Der derzeitige Prozess zur Aufnahme und Veröffentlichung muss schneller und transparenter werden.
  • 10. Vorgaben der Selbstverwaltung müssen konsequent auf eine rein digitale Dokumentation und Kommunikation umgestellt werden. Dies betrifft sowohl den ambulanten, den stationären als auch den pflegerischen Bereich. Das Ziel sollte es in diesem Zusammenhang sein, strukturiert Daten zu erfassen, die dann mithilfe semantischer Terminologien und einheitlicher Kommunikationswege zusammengeführt, verarbeitet und ausgewertet werden können.
  • 11. Bei der Entwicklung von semantischen Modellen sind nationale Alleingänge zu vermeiden und europäische/internationale Wege zu bevorzugen.
  • 12. Systemische Anreize für den Einsatz von interoperablen Systemen unter Berücksichtigung von Marktmechanismen und der tatsächlichen Nachfrage von interoperablen Lösungen nach Vorbild des Meaningful Use-Programms in den USA müssen in Deutschland geschaffen werden. Voraussetzungen für eine vernetzte Versorgung/bvitg e. V./Berlin, 19. September 2019 6 von 6
  • 13. Für die Anwender der Systeme müssen Anreizmodelle geschaffen werden, die eine digitale, strukturierte Erfassung von Daten belohnen und den Austausch dieser Daten vergüten. Ohne Anreize für die nutzenstiftende intersektorale Vernetzung von Daten fehlt die Motivation aller Beteiligten, in diese zu investieren.
  • 14. Neue Vorhaben bei der digital unterstützten Versorgung müssen an internationalen Standards ausgerichtet werden. Dies muss auch für Ausschreibungen und die Erstellung von Spezifikationen durch die Selbstverwaltung gelten. Nur so können Anwendungen entwickelt werden, die auch in internationalen Märkten Anklang finden können.
  • 15. Die Akteure des Systems brauchen eine gemeinsame Vorstellung von den nächsten Schritten der Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung sowie eine stringente Koordination der Maßnahmen – zwischen den Ressorts, zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Akteuren der Selbstverwaltung und der Forschung. Eine „Koordinierungsstelle eHealth“ ist daher unabdingbar und sollte zügig aufgebaut und damit betraut werden, eine nationale eHealth-Strategie zu entwickeln sowie deren Umsetzung zu überwachen.
  • 16. Die Eingriffe/Vorgaben der Selbstverwaltung bzw. der gematik sollten auf ein Minimum begrenzt sein, um einheitliche Standards als Grundlage für marktwirtschaftliches Handeln bei den umsetzenden Unternehmen zu schaffen.

Auch die Industrie liefere schon interoperable Lösungen. „Durch die wachsenden Anforderungen an eine kollaborative Kommunikation gibt es jedoch bereits diverse Initiativen zur Entwicklung standardkonformer Lösungen bei den Unternehmen und etablierte Prozesse. Der Vorwurf, Systeme seien nicht interoperabel, kann in seiner Grundsätzlichkeit nicht aufrechterhalten werden“, so der bvitg in seinem Diskussionsbeitrag.

Das enge Netz der Zusammenarbeit einer Vielzahl hoch komplexer Systeme mache die Kooperation zwischen Herstellern zwingend nötig. Es gäbe schon heute funktionierende Interoperabilität zwischen Systemen und es bestehe die Möglichkeit, Daten zwischen Systemen auszutauschen. Interoperabilität sei kein Selbstzweck, sondern diene dem Ziel die Gesundheitsversorgung zwischen Behandlern, Einrichtungen und Sektoren wirtschaftlich gewährleisten zu können. Um eine umfassende Datennutzung etablieren zu können, müssen die Versorgungsprozesse und deren Vergütungsmodelle auf eine patientenzentrierte, ganzheitliche Sichtweise ausgerichtet werden.

Auch beim 4. Deutschen Interoperabilitätstag (DIT) ist die Interoperabilität im Gesundheitswesn ein zentrales Thema. Hier wollen führende Persönlichkeiten aus Politik und Selbstverwaltung, Industrie sowie Anwender zusammen kommen, um über die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen zur Schaffung von Interoperabilität in der Gesundheitsversorgung zu diskutieren. Das diesjährige Motto „Benehmt Euch!“ stellt dabei vor allem die Umsetzung des aktuellen Prozesses zur Herstellung des Benehmens zur Interoperabilität der ePA in den Mittelpunkt.

Den vollständigen Disskussionsbeitrag des bvitg finden Sie hier:

Positionspapier

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