In-vitro-Diagnostik: Kontakt-Bildsensor erkennt Brustkrebs
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Mit einem Kontakt-Bildsensor-IC für kompakte optische Diagnostiksysteme können Forscher schnell und zuverlässig die Menge von HER2-Proteinen an Brustzellen bestimmen. Ein Fortschritt für die Brustkrebsdiagnostik.

Brustkrebs gehört bei Frauen zu den Tumorarten mit den meisten Neuerkrankungen und der höchsten Sterberate weltweit [1]. Je genauer man die verschiedenen Typen und Stadien von Brustkrebs differenzieren kann, desto besser lassen sich wirksame Therapien einleiten und Behandlungsrisiken minimieren. Unter anderem werden Wirkstoffe verordnet, die zielgerichtet das Wachstum von Krebszellen blockieren [2], indem sie den Wachstumsfaktorrezeptor HER2 [3] hemmen.
Dieses Protein ist an der Zellmembran jeder gesunden Brustzelle vorhanden. Bei etwa 20 bis 30 Prozent der Karzinome [4] kommt es jedoch um ein Vielfaches vor und regt die Krebszellen zu verstärktem Wachstum an. Je mehr HER2-Proteine vorhanden sind, desto effizienter ist der Wirkstoff. Ineffizient ist er bei Karzinomen mit wenigen HER2-Proteinen, aber die Nebenwirkungen bleiben. Daher ist es wichtig, die HER2-Ausprägung individuell für jeden Patienten vor der Therapieentscheidung zu bestimmen.
Gewebeproben untersuchen
Um zu untersuchen, wie stark das Protein vorhanden ist, werden Gewebeproben in einem ersten Schritt mit einem relativ kostengünstigen und schnellen Verfahren analysiert, der Immunhistochemie (IHC). Die HER2-Proteine werden dabei eingefärbt und unter dem Mikroskop beurteilt. Je nach Ausmaß und Farbintensität werden die Proben häufig in vier Klassen eingestuft. Für mäßig starke und schwache Färbungen wird über eine Therapie meist erst nach einer weiteren Analyse entschieden. Bei der dann vorgenommenen Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) handelt es sich um ein wesentlich aufwändigeres, aber auch genaueres gen-basiertes Nachweisverfahren, das an der Ursache der vermehrten Produktion des HER2-Proteins ansetzt [5].
Nachteil der klassischen HER2-Nachweise in der Brustkrebsdiagnostik ist nicht nur das im Zweifelsfall mehrstufige und dann zeit- sowie kostenaufwändige Vorgehen mit zwei Analysemethoden, sondern vor allem die subjektive, bis dato nicht quantifizierbare visuelle Klassifizierung, die im ersten Schritt für alle Gewebeproben vorgenommen wird.
HER2-Proteine kostengünstig optoelektronisch bestimmen
Das Forschungsprojekt ADMONT hatte zum Ziel, schnell, eindeutig und zuverlässig die Menge von HER2-Proteinen mit kostengünstigen optoelektronischen Messverfahren zu bestimmen. Das IMMS hat ein Mikroelektronik-basiertes Testsystem für die In-vitro-Diagnostik im Labor entwickelt. Es bildet u.a. alle für die Therapie relevanten Reaktionsklassen des immunhistochemischen Verfahrens ab und kann hierbei Lichtunterschiede erkennen, die von unterschiedlichen Mengen von eingefärbten HER2-Proteinen je Brustkrebszelle in einer Probenflüssigkeit hervorgerufen werden. Die Anzahl kann von einigen wenigen bis hin zu mehreren Millionen HER2-Proteinen schwanken.
Der entwickelte Prototyp lässt sich sowohl für fluoreszenzbasierte als auch für Absorptionsmessungen einsetzen. Die Zellprobe und entsprechende Marker-Substanzen für das HER2-Protein werden per Contact Imaging analysiert und direkt auf die Oberfläche des Imager-Chips in ein Flüssigkeitsreservoir gegeben. Ein zusätzliches optisches System ist nicht notwendig. Der vom IMMS für schwächste Lichtsignale ausgelegte Chip sitzt auf einem Steckmodul, das mit der Probe in eine Platine geschoben wird, die in einer lichtdichten Box mit einer LED verbaut ist. Diese Box lässt sich per USB-Schnittstelle an einen PC anschließen und über eine grafische Nutzeroberfläche ansteuern, über die auch die Daten ausgewertet oder an andere Auswerte-Software weitergegeben werden können.
Der biochemische Nachweis von Krebszellen im Detail
Um mit einem optoelektronischen System nachzuweisen, ob HER2 an Brustkrebszellen verstärkt auftritt, wurde bei der Auslegung des Systems von den etablierten Analysemethoden ausgegangen. Bei der Immunfluoreszenz, einer Variante der IHC, wird HER2 mit spezifischen Antikörpern erkannt und mit passenden Fluorophoren sichtbar gemacht. Dabei werden die fluoreszierenden Marker mit Licht bestimmter Wellenlängen angeregt, emittieren Licht anderer Wellenlängen und erzeugen damit das Bild. Farbfilter im Mikroskop verhindern, dass Anregungslicht auf das Bild gelangt. Darüber hinaus basieren etablierte HER2-Nachweise auf enzymatisch gesteuerten Reaktionen, die ein Substrat zu einem farbigen Produkt umsetzen. Die Farbmoleküle verändern die Absorptionseigenschaften der Probe und werden unter dem Mikroskop beurteilt.
Der am IMMS entwickelte Prototyp wurde für die umfangreicheren Anforderungen von Fluoreszenz-Messungen ausgelegt, die der Partner Oncompass Medicine Hungary Ltd. wie folgt plant: Proben mit einzelnen Brustkrebszellen werden mit Fluorophoren oder Enzymen vorbereitet und untersucht. Anstelle des (Fluoreszenz-) Mikroskops tritt die kostengünstigere optoelektronische Messkammer, um HER2-Proteine quantitativ nachzuweisen.
Für die fluoreszenzbasierten Messungen wird der Fluorophor PE-Cy5 genutzt. Dieser Stoff wird von der LED in der Messkammer mit einem Licht mit 488 nm angeregt und emittiert das zu messende Licht bei 670 nm. Um das Anregungslicht zu blockieren und vom zu messenden emittierten Licht zu trennen, ist ein optischer Dünnschichtfilter direkt auf der Chip-Oberfläche vorgesehen. Dieser Filter wird von einem Dienstleister realisiert. Das von den Fluorophoren emittierte Licht wird von den Photodioden auf dem Chip detektiert. Die Lichtintensität gibt Aufschluss über die Konzentration der Fluoreszenzmarker.
Chip misst die Trübung der Farbstoffe
Der Prototyp wurde gleichermaßen so realisiert, dass er sich für HER2-Nachweise sowie für weitere Anwendungen mit Absorptionsmessungen nutzen lässt, bei denen schwache Helligkeitsunterschiede zum Nachweis anderer Analyten bzw. Biomarker untersucht werden. Für die Absorptionsmessungen hat Oncompass das Enzym alkalische Phosphatase (AP) für seine Untersuchungen ausgewählt. Die mit AP gelabelten HER2 rufen nach der Zugabe des Substrates eine Farbreaktion hervor, welche die Chipoberfläche durch einen violetten Niederschlag abdunkelt.
Die Proben werden in das Flüssigkeitsreservoir des Messsystems gegeben und von der LED beleuchtet. Findet eine entsprechende Nachweisreaktion in der Probe statt, lassen sich die Farbstoffe als Trübung auf dem Chip messen. Das Ergebnis wird mit Referenzmessungen an Proben ohne Zellen sowie mit nicht markierten Zellen verglichen und gibt Aufschluss über vorhandene Verfärbungen und damit für die Konzentration der zu untersuchenden Analyten bzw. Biomarker.
Ein CMOS-Bildsensor als Kernstück des Systems
Das Kernstück des Systems ist ein CMOS-Bildsensor, der speziell auf die Erfordernisse für Contact-Imaging in Bioanalytik-Anwendungen optimiert ist. Der Schaltkreis hat eine Auflösung von 64 x 64 Pixeln bei einer Pixelgröße von 25 µm, was dem mittleren Durchmesser der Tumorzellen entspricht. Als Halbleitertechnologie wurde der 350-nm-Prozess XH035 der X-FAB verwendet. Der Chip liefert mit mehr als 4000 Pixeln statistisch relevante Aussagen für Signale von mehr als 4000 Tumorzellen. Er ist auf hohe Sensitivität bei sehr geringen Lichtmengen und niedriges Rauschen bei der Bildaufnahme optimiert.
Das optische Signal der Zellen wird von den Photodioden der Pixel aufgesammelt, in elektrische Ladung gewandelt, integriert, verstärkt und anschließend digital gewandelt. Im Bildsensor-Chip sind neben dem eigentlichen Bildfeld samt Treiberschaltung die Sampling-Stufen zur Zwischenspeicherung des Ausgangssignals der Pixel, ein einstellbarer Signalverstärker (PGA) zur rauscharmen Vorverstärkung und schließlich ein integrierter 12-Bit-SAR-Analog-zu-Digital-Wandler (ADC) enthalten. Zudem verfügt der Chip über ein I²C-Interface zur Konfiguration.
Eine der Besonderheiten der Schaltungsarchitektur liegt in den verteilten Pixel-Verstärkern, welche die für Bioanalytik-Applikationen essentielle hohe Sensitivität und feingranulare Unterscheidung bei geringen Lichtintensitäten erzielen bei einem gleichzeitig geringen Bildrauschen. Um das zu erreichen, wurden die Pixel der herkömmlichen, ohne Feedback arbeitenden 3T-Pixel-Topologie um einen kompletten rückgekoppelten Verstärker erweitert. Dieser ist in ein pixelweises Differenzpaar und einen spaltenweisen Folded-Cascode-Verstärkerteil aufgeteilt.
Wenig störende Aktivitäten während der Aufnahme
Um eine hohe Signalqualität zu gewährleisten, hat der Chip eine minimale digitale Steuereinheit, damit während des Bildaufnahmevorgangs möglichst wenig störende Aktivität auf dem Chip selbst stattfindet, die das Ausgangssignal negativ beeinflussen könnte. Die Ablaufsteuerung des Bildaufnahmeprozesses erfolgt daher über externe Signale, die von einem FPGA generiert werden. Die Bilder werden nach dem Rolling-Shutter-Prinzip aufgenommen: Die einzelnen Zeilen, aus denen das Bild aufgebaut ist, weisen einen leichten zeitlichen Versatz untereinander auf. Diese Aufnahmemethode folgt aus der verwendeten 3T-Pixel-Architektur und kann theoretisch zu einer Bildverzerrung bei schnell veränderlichen Bildinhalten führen. Allerdings spielt dieser Effekt für das Applikationsszenario keine Rolle.
Der Anwender kann die Messkammer mit einem Programm bedienen, das am IMMS entwickelt wurde. Es lassen sich die verschiedenen Bildsensoreinstellungen konfigurieren und die Ablaufsteuerung zeitlich koordinieren. Bilder lassen sich einzeln oder als Intervallserien aufnehmen. Zudem ist es möglich, über eine REST API, eine logische Standardschnittstelle für Webanwendungen, die Messkammer per Ethernet zu bedienen sowie Mess- und Auswertevorgänge zu automatisieren. Die Nachbearbeitung kann mit jeder Software erfolgen, die das Anwendungsschichtprotokoll HTTP als Schnittstelle unterstützt.
Den Projektpartnern, die im biologischen Labor lebende Zellen untersuchen, konnte damit in einer vertrauten PC-Umgebung eine Schnittstelle geschaffen werden. In Excel wurde mit Makros für den REST-API-Zugriff eine Grundlage für die Extraktion und Visualisierung der biomedizinisch relevanten Daten geschaffen, die vom Partner ohne Programmiererfahrung weiterentwickelt werden kann.
Die Arbeiten im Verbundprojekt ADMONT wurden als industrielle Forschung (Innovation Action) im ECSEL-Programm als Teil des Forschungsrahmenprogramms Horizont 2020 durch die Europäische Union und das Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Kennzeichen 661796 gefördert, das Teilvorhaben des IMMS „Entwurf intelligenter in-vitro-diagnostischer und bioanalytischer Sensor- und Aktorsysteme“ unter dem Kennzeichen 16ESE0057.
Dieser Beitrag stammt von unserem Partnerportal Elektronikpraxis.
Referenzen
[1] https://doi.org/10.3322/caac.21492 (Figure 7)
[2] www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/brustkrebs/moderne-verfahren.php.
[3] HER2: human epidermal growth factor receptor, https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/brustkrebs/diagnostik.php#inhalt25.
[4] DOI: 10.1056/NEJMp058197.
[5] https://www.breastcancer.org/symptoms/testing/types/ihc
[6] „Untersuchung der Expression des Onkogens HER2 beim Mammakarzinom“ J.-P. Rey, S. Fournier, C. Duc, C. Girardet, ZIWS; M. Stalder, CONSILIA, Sitten
* Dr.-Ing. Valentin Nakov arbeitet am IMMS Institut für Mikroelektronik- und Mechatronik-Systeme gemeinnützige GmbH.
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