„Nicht durchgehend zielführende Lösungen“ – Bitkom
Aus Sicht des Bitkom führen die vorgesehenen Änderungen des SGB V unter anderem zur „Einschränkung von Innovation und Wettbewerb in der digitalen Gesundheitswirtschaft“. So sollte nicht nur Anbietern von Primärsystemen die diskriminierungsfreie Anbindung an die TI ermöglicht werden – wie es § 332a vorsieht – auch wäre das für Anbieter denkbar, die die TI nicht benötigen. Der Bitkom erachtet es zudem als problematisch, die Anbieter und Hersteller zu Kostenträgern für die Anbindung und damit verbundene Installation und Wartung zu machen. Der Verband schlägt daher die Streichung des entsprechenden Absatzes vor.
Ebenso sollte § 332b aus dem Entwurf gestrichen werden, da „aktuelle Zertifizierungsvorgaben und Zulassungsverfahren die Relevanz der vorgesehenen Rahmenvereinbarungen redundant machen“. So ist bereits jetzt geregelt, dass nur Systeme eingesetzt werden dürfen, die nachweislich über die notwendigen Schnittstellen verfügen. Eine solche Zertifizierung und Zulassung kann auch bisher nur durch die KBV erfolgen. Weiter wird die vage Formulierung des Entwurfstextes an dieser Stelle kritisiert.
Zudem fordert der Verband klar die Freigabe der von der ePA erfassten versorgungsnahen Daten für Forschungszwecke. Er befürchtet die Verlagerung klinischer Studien in das Ausland, wenn die Datennutzung weiterhin an die Rechtspersönlichkeit der Forschenden gekoppelt bleibt.
Auch sei nicht erkennbar, dass der Gesetzesentwurf bereits durch die E-Health-Allianz angesprochene Schwachstellen angeht. Aufgrund des Designs der TI ist eine Forschungsdatenübermittlung nur retrospektiv möglich. Gerade im Hinblick auf einen gemeinsamen europäischen Gesundheitsdatenraum sei es jedoch notwendig, den Prozess der Datenbereitstellung zu optimieren.
Wie auch der bvitg betont der Bitkom die Wichtigkeit von MIOs. Dabei sei darauf zu achten, dass nicht nur die Interoperabilität gewährleistet sei, sondern zudem eine gemeinsame Definition von versorgungsrelevanten Anwendungsszenarien vorliege.
Ebenso begrüßt wird die Möglichkeit, strukturierte Daten aus der ePA über Schnittstellen auch Dritten zur Verfügung zu stellen. Um ein digitales Ökosystem in der Gesundheitsversorgung zu etablieren, sei es jedoch auch wichtig, alle Akteure zu beteiligen – also auch diejenigen, die nicht an die TI angeschlossen sind. Deswegen bedürfe es standardisierter und interoperabler Schnittstellen außerhalb der TI. Um zudem auch eHealth-Dienstleistern den Zugriff auf Daten aus der ePA zugänglich zu machen, plädiert der Bitkom für eine Erweiterung der unter § 361a dokumentierten Auflistung berechtigter Anwendungen und Anbieter.
„Gefährdung der Datensicherheit“ – KBV
In ihrer Stellungnahme erklärt die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihre Absicht, zu mehr Akzeptanz der Digitalisierung und somit zu einer besseren Versorgungsqualität beitragen zu wollen, hält jedoch – anders als der SVDGV – eine Verschiebung der Fristen bei den digitalen Gesundheitsanwendungen für nicht akzeptabel. Da Gesundheitsdaten gemäß Artikel 9 DSGVO besonders geschützt sind, müssten Hersteller zeitnah nachweisen, dass sie in der jeweiligen DiGA sicher verarbeitet werden.
Weiter bemängelt die KBV, dass die diskriminierungsfreie und für Leistungserbringer nicht mit Kosten verbundene Einbindung aller Komponenten und Dienste gemäß § 332a dazu führen könnte, dass IT-Hersteller die Anbindung der Komponenten über die Preise zur Anpassung anderer Systeme querfinanzieren könnten. Die KBV schlägt daher eine sogenannte Vermutungsregelung oder eine andere geeignete gesetzliche Absicherung sowie das Einrichten einer Meldestelle für Verstöße vor.
Den § 332b versteht die KBV zudem als Auftrag, für Vertragsärzte Verhandlungen mit Anbietern und Herstellern von IT-Anwendungen zu führen. Inhalte, die sonst zwischen Anbieter beziehungsweise Hersteller und Vertragsarzt geregelt werden, würden so auf die Ebene des Rahmenvertrags verschoben. Um die notwendige Rechtssicherheit zu erhalten, möchte die KBV dies auch so im Gesetzestext wiederfinden. Festgehalten werden sollte jedoch zudem genaueres zu den Inhalten der Verträge.
Während der bvitg die Meinung vertritt § 361 müsse ausgeweitet werden, um so den Versand von Verordnungsdaten an Dritte zu ermöglichen, plädiert die KBV dafür, diesen Passus ersatzlos zu streichen. Die Vereinigung hinterfragt die versorgungsrelevante Zielsetzung dieses Teils des Gesetzesentwurfs und tituliert das Vorhaben als „bedenklich“. In den vorgesehenen Regelungen erkennt sie zwei wesentliche Gefahren:
- Unzulässige Einflussnahme in die Therapiefreiheit: Etwaige Vorgaben und Limitierungen der DiGA könnten zur Etablierung eines digitalen Zweitmeinungsverfahrens führen
- Verlust personengebundener Daten: Die KBV bezieht sich dabei darauf, dass bislang bei wiederholtem Nachweis von Sicherheitslücken seitens der DiGA-Hersteller, die Datensicherheit nicht gewährleistet werden konnte; widersprüchlich sei dies besonders in Hinblick auf die um ein Jahr verlängerte Frist zum Nachweis der Datensicherheit.
Weiterhin sieht die KBV die Notwendigkeit, die Aufgaben der Gematik auszuweiten. Bisher habe es sich dabei maßgeblich um funktionale Elemente der TI gehandelt, nun müsse jedoch durch die Gematik dafür Sorge getragen werden, die Voraussetzungen für flächendeckende Unterstützungsleistungen zu schaffen, um künftig zum Erfolg von Test- und Rollout-Phasen beizutragen. So heißt es in der Stellungnahme: „Sowohl die Prozesse der Einführung des elektronischen Rezeptes als auch der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung haben erhebliche Defizite bei der Entwicklung und Erprobung von Anwendungen aufgedeckt, die durch adäquate und praxisorientierte Entwicklungs- und Testverfahren hätten vermieden werden können“.
Kommentar
Sündenbock IT-Hersteller?
Die Rückmeldungen vonseiten der Industrieverbände zeigt vor allem eines: Sie sehen sich als Sündenbock. Fast scheint es so, als wälze der Gesetzgeber die Schuld für bislang versäumte Chancen und Möglichkeiten sowie die schleppende Einführung der Anwendungen der Telematikinfrastruktur auf Hersteller und Anbieter von Praxis-IT-Komponenten ab. Während das BMG diesen unterstellt, TI-Funktionen nicht rechtzeitig zu integrieren und infolgedessen Sanktionen in Form von eigens zu tragenden Kosten verhängt, kontert die Industrie mit dem Argument, es fehlten die nötigen Vorgaben seitens der Gesetzgeber. Gerade der geänderte § 332a SGB V heizt die Diskussion weiter an. Welche Schritte „Team Lauterbach“ als nächstes einleitet, und welche Konsequenzen aus dem harschen Feedback gezogen werden, bleibt jedoch abzuwarten.
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