Gesundheitspolitik in Deutschland Bereit für die Zukunft?
Sinkendes Vertrauen in die deutsche Gesundheitspolitik, falsche Prioritäten im ersten Regierungsjahr und durchwachsene Meinungen zu digitalen Angeboten im Gesundheitssystem – die Ergebnisse einer Forsa-Umfrage zeigen: Bei politischen Entscheidungen im Gesundheitssystem müssen Bürger mehr einbezogen werden.

Wie steht es eigentlich um das Vertrauen der Bürger in die Gesundheitspolitik? Um diese Frage zu beantworten, befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH im Auftrag des Bosch Health Campus der Robert Bosch Stiftung im Zeitraum vom 5. Januar bis 10. Februar 2023 bundesweit insgesamt 1.850 Personen ab 18 Jahren.
Zentrale Inhalte der Untersuchung waren die Wahrnehmung digitaler Gesundheitslösungen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesundheitspolitik, die Prioritäten der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf das Gesundheitssystem der Zukunft sowie die Bewertung der bisherigen Gesundheitspolitik der Ampel-Koalition.
Wachsendes Misstrauen und falsche Prioritäten
Die Ergebnisse zeigen: Das Vertrauen der Bürger in die Politik, auch künftig eine qualitativ hochwertige und bezahlbare medizinische Versorgung für alle zu sichern, ist gesunken. Während im Jahr 2020 noch 69 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sehr großes (14 Prozent) oder großes (55 Prozent) Vertrauen in die Gesundheitspolitik äußerten, waren es im Frühjahr 2023 nur noch jeweils 2 und 38 Prozent.
Besonderen Wert legt der größte Teil der Befragten (99 Prozent) dabei darauf, dass die Gesundheitsversorgung für den Einzelnen bezahlbar bleibt. 1 Prozent erachtet dies als weniger oder gar nicht wichtig. Als weiteren entscheidenden Faktor einer zukunftsfähigen Versorgung definieren 72 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, dass die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal zum Beispiel durch bessere Bezahlung und Arbeitszeiten verbessert werden.
In puncto Gesundheitspolitik der Ampel-Koalition äußern die meisten Befragten (52 Prozent) Kritik. Sie finden, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach im ersten Jahr seiner Regierungszeit eher nicht (32 Prozent) beziehungsweise gar nicht (20 Prozent) die richtigen Prioritäten gesetzt hat. Besonders kritisch stehen der Politik des Gesundheitsministers ostdeutsche Bürger und die unter 60-Jährigen gegenüber.
Ist also der Gesundheitsminister ein Grund für das verlorene Vertrauen der Bürger? Dafür sprechen könnte, dass die meisten Bürger nicht finden, dass sich das Gesundheitssystem binnen des vergangenen Jahres verbessert hat. Der Aussage „Das deutsche Gesundheitssystem ist heute besser aufgestellt als vor einem Jahr“ stimmt nur rund ein Fünftel voll und ganz (1 Prozent) oder eher (18 Prozent) zu. 39 Prozent gaben sogar an, die medizinische Versorgung bei ihnen vor Ort habe sich verschlechtert. Bei Teilnehmern mit chronischen Erkrankungen ist dieses Empfinden noch verbreiteter (46 Prozent).
Dr. Ingrid Wünning Tschol, Leiterin des Robert Bosch Centers for Innovative Health, sagt dazu: „Möglichst viele Menschen sollten die Chance bekommen, selbst Verantwortung für die Erhaltung ihrer eigenen Gesundheit zu übernehmen. Ein leichter Zugang zu evidenzbasierten Gesundheitsinformationen ist dafür eine wichtige Voraussetzung. Große Chancen dafür liegen in der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz.“
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