Innovationstreiber Corona Wie die Pandemie technische Erfindungen fördert

Von Mark Patrick * |

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So schrecklich die Coronakrise auch sein mag, sie stellt uns alle vor große Herausforderungen und sorgt dafür, dass der technische Einfallsreichtum auf der ganzen Welt einen Schub bekommt.

Kommt aus dem 3D-Drucker: Dieser Magnet- und Quetschventil-Prototyp.
Kommt aus dem 3D-Drucker: Dieser Magnet- und Quetschventil-Prototyp.
(Bild: Mouser)

Um den technischen Einfallsreichtum zu fördern und Innovationen voranzubringen, gibt es nichts Besseres als Hindernisse und besondere Herausforderungen. Dies hat sich zuletzt bei der Höhlenrettung in Tham Luang (Thailand) im Jahr 2018 und beim Grubenunglück in Copiapó (Chile) im Jahr 2010 gezeigt. Diejenigen, die Fachkompetenz und Ingenieurskunst einbringen, werden ins Rampenlicht gerückt und zeigen, wie wichtig technische Errungenschaften für die Rettung von Menschenleben sein können.

Als sich die Krankheit Covid-19 von einem lokalen Ausbruch zu einer Pandemie entwickelte, zeigten sich schnell die Schwächen der Gesellschaft bei der Bewältigung der damit verbundenen enormen Herausforderungen. Selbst die Gesundheitssysteme der fortschrittlichen Nationen sind an ihre Grenzen gestoßen. Und das hat ernste Bedenken ausgelöst, wie und ob die weniger fortschrittlichen Länder in der Lage sind, die unvermeidlichen Covid-19-Folgen zu bewältigen. Seit März 2020 sind zwei primäre Bereiche schnell in den Fokus gerückt: der Bedarf an Beatmungsgeräten und die außerordentlich hohe Nachfrage nach persönlicher Schutzausrüstung (PSA).

Ingenieurteams auf der ganzen Welt haben sich den Herausforderungen von Covid-19 gestellt und neue Werkzeuge und Technologien zur Unterstützung entwickelt. Die Ergebnisse sind erstaunlich.

Mit 3D-Druck eine Lösung für den Mangel finden

Seitdem die Medien fortwährend über den Mangel an Kitteln, Atemschutzmasken und Visieren berichten, hat sich der Begriff PSA ins Unterbewusstsein der Welt eingebrannt. Einige persönliche Schutzausrüstungen können zwar wiederverwendet werden, aber die sehr hohe Nachfrage nach Einmalartikeln stellt die größte Herausforderung dar. Der Mangel an N95-Atemschutzmasken (in Europa entsprechend FFP2) ist beispielsweise zum Teil auf die zusätzliche Nachfrage von nicht-medizinischem Personal zurückzuführen, das ebenfalls direkt der Infektionsgefahr ausgesetzt ist. Dabei wird dieser Mangel von der breiten Öffentlichkeit noch weiter verschärft, die ebenfalls versucht, diese Masken zu erwerben.

Die Hersteller haben schnell und in vielfältiger Weise reagiert. Dank der Verbreitung von 3D-Druckern und frei verfügbarer Designsoftware wurden Hunderte von Designs für Gesichtsschutzschilde und Atemschutzmasken auf der ganzen Welt frei ausgetauscht. Es ist unglaublich, wenn man bedenkt, dass es diesen Ansatz einer gemeinschaftlichen Massenproduktion noch vor einem Jahrzehnt nicht gab. Da die Produktionsstätten der Hersteller über die ganze Welt verteilt sind, haben viele Zugang zu 3DApolloRespirator-Druckern, die Hunderte von Artikeln pro Tag produzieren können.

Jetzt gilt es, das in unseren Teams vorhandene Potenzial mit denjenigen Bereichen zusammenzubringen, in denen die Nachfrage vorhanden ist. Krankenhäuser und Pflegeheime sind überfordert, wenn täglich Dutzende von Herstellern anrufen und sich erkundigen, ob sie helfen können. Gruppen wie NYCMakesPPE sind in diese Lücke gesprungen und fungieren als Vermittler. Sie koordinieren die Anfragen von Gesundheitsfachleuten der Stadt New York, Maker Communities und einzelner Hersteller. Sie haben auch Designs für den 3D-Druck von Gesichtsschutzschilden sowie für Stoffmasken zur Verfügung gestellt, die den Anforderungen des Gesundheitspersonals entsprechen.

Beatmungsgeräte stellen eine andere Herausforderung dar, da diese klinisch anerkannte Sicherheitsstandards erfüllen müssen. Die US National Institutes of Health haben ein Design für eine Maske mit austauschbarem Filter bereitgestellt, aber dieses Design erfordert einen Multi-Jet Fusion (MJF)- oder Selective Laser Sintering (SLS)-Drucker und eine nach ISO 13485 zertifizierte Produktionsstätte.

Reverse Engineering und Zusammenarbeit

In vielen Ländern sind Kooperationen zwischen nicht-medizinischen Unternehmen und Organisationen entstanden, die schnelle und effiziente Lösungen anbieten, um die Nachfrage nach Geräten zu bedienen. Wenn es jedoch um die Patientensicherheit geht, sollte man am besten mit einem Design beginnen, das nicht nur nachweislich funktioniert, sondern auch medizinisch zertifiziert ist. Mit diesem Ansatz hat das Mercedes F1-Team mit einem Reverse-Engineering-Ansatz ein patentfreies CPAP-Gerät (Continuous Positive Airway Pressure) nachkonstruiert.

Dieses nicht-invasive Gerät versorgt den Patienten mit einem Luft-Sauerstoff-Gemisch mit höherem Druck, so dass der Patient leichter atmen kann. Das erste Gerät wurde innerhalb von nur 100 Stunden hergestellt und der Standort Brixworth (Vereinigtes Königreich) stellt seine gesamte Fertigungskapazität in Kürze auf die Massenproduktion um. Für diese Überarbeitung eines bestehenden Designs wurde kurzfristig eine behördliche Genehmigung durch die MHRA (britische Arzneimittelbehörde) erteilt. Damit wurde nicht nur der Druck auf das britische Gesundheitswesen verringert, sondern das Gerät verbraucht auch 70% weniger Sauerstoff als sein Vorgänger. Zudem ist sein Design frei verfügbar, so dass es auch von anderen Herstellern nachgebaut werden kann.

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Für schwere Beatmungsfälle ist eine invasive Beatmung mit Intubation erforderlich. Auf eine Anfrage der britischen Regierung nach mehr Beatmungsgeräten für Erwachsene haben die drei britischen Unternehmen TTP, Dyson und JCB ihre Kompetenzen für ein gemeinsames Projekt gebündelt. Das so genannte „CoVent“ wurde als bettmontiertes Design geplant und mit einem Batterie-Backup ausgestattet. Es kann sowohl in einem konventionellen Krankenhaus als auch in einem Feldlazarett zum Einsatz kommen.

Das Kerndesign des Gerätes scheint von TTP zu stammen. Für diese Lösung sollte die hocheffiziente digitale Motortechnologie von Dyson zum Einsatz kommen und die Produktionsstätte von JCB sollte zur Herstellung des erforderlichen Stahlgehäuses genutzt werden. Als der Druck auf das britische Gesundheitswesen abnahm, wurden die Aufträge für die Geräte jedoch zurückgezogen. Wären sie umgesetzt worden, wäre dies ein unglaubliches Beispiel gewesen, wie Geräte von völlig unterschiedlichen Unternehmen gemeinsam entwickelt werden können. Sollte das Vereinigte Königreich diese Geräte in Zukunft benötigen, ist es jedenfalls beruhigend zu wissen, dass diese Möglichkeit jetzt gegeben ist.

In der Krise zeigen sich die Stärken von Communities

In den letzten Jahren gab es leider mehrere Ausbrüche von Atemwegserkrankungen, und Covid-19 wird nicht der letzte sein. Angesichts der Kosten für tragbare Beatmungsgeräte, die Tausende von US-Dollar betragen, und für ortsfeste Beatmungsgeräte in Krankenhäusern, die sich auf etwa 30.000 US-Dollar belaufen, ist klar, dass es sich nicht jedes Land leisten kann, die notwendigen Investitionen für Geräte zu tätigen, deren primärer Zweck die letzte medizinische Möglichkeit ist, Leben zu retten.

Bild 1: Die Elektronik-Arbeitsplätze von Makespace Madrid.
Bild 1: Die Elektronik-Arbeitsplätze von Makespace Madrid.
(Bild: Mouser)

Die Makespace Madrid (Spanien) ist eine von mehreren Maker-Communities, die sich der Herausforderung gestellt haben, ein kostengünstiges Beatmungsgerät zu bauen. Anstatt bei Null anzufangen, nahmen Javier Fernández und ein Team von sieben weiteren Mitarbeitern ein Beatmungsgeräteprojekt als Grundlage, das am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) durchgeführt wurde. Auslöser für dieses Design war die H1N1-Pandemie 2009, auch bekannt als Schweinegrippe, die sich weltweit ausbreitete und dazu führte, dass einige Patienten wegen des akuten Atemnotsyndroms (ARDS) behandelt werden mussten. Das zentrale Designprinzip war die Mechanisierung der typischerweise handbetriebenen Beatmungsgeräte mit Beutelventil-Maske (BVM).

Nach Rücksprache mit medizinischen Fachleuten konzentrierten sich die Bemühungen des Teams jedoch auf einen Designvorschlag, der einfach ein pneumatisches Magnetventil und ein Quetschventil verwendet, und der auf einem Forum spanischer Hersteller von einem Mediziner vorgestellt worden war. Die aktuelle Pandemie hat zu einem weltweiten Mangel an medizinisch hochwertigen Ventilen geführt, so dass das Team eigene Ventile entwickeln musste. Da auch die Lieferketten betroffen waren, hatte das Team auch Schwierigkeiten, Durchfluss-Sensoren und andere Komponenten zu beschaffen. Als Mouser davon erfuhr, konnte das lokale Kundensupport-Team einspringen und die erforderlichen Komponenten kostenlos zur Verfügung stellen und dieses innovative Ingenieurteam unterstützen.

Javier und sein Team wollen ein offenes Design für ein möglichst einfach umsetzbares Beatmungsgerät entwickeln, das einen Beitrag zur Versorgung von Covid-19-Patienten leisten kann. Dabei stellen sie ihre Erkenntnisse in ausführlichen Notizen im Projekt-Wiki der Öffentlichkeit zur Verfügung, damit das Design weiter verbessert und weltweit eingesetzt werden kann.

Standards gibt es aus gutem Grund

Eines der vielleicht verwirrendsten Dinge für die breite Öffentlichkeit ist derzeit die Anleitung zur Verwendung von Gesichtsmasken. Die Bürger in asiatischen Ländern tragen eine Maske scheinbar gerne, in der westlichen Welt sorgt diese Praxis jedoch häufig für Verunsicherung, manchmal sogar für Verlegenheit. Für das medizinische Fachpersonal sind Masken ein wichtiger Teil ihrer Schutzausrüstung. Das bedeutet, dass das An- und Ablegen so erfolgen muss, dass das Infektionsrisiko minimiert wird. Es ist nicht einfach dasselbe wie das Anlegen eines Tuches oder Schals. Es gibt Anweisungen, die zur sicheren Verwendung befolgt werden müssen.

Bild 2: Ein früher Prototyp, komplett mit einem medizinischen Modell, das von einem örtlichen Krankenhaus zur Verfügung gestellt wurde.
Bild 2: Ein früher Prototyp, komplett mit einem medizinischen Modell, das von einem örtlichen Krankenhaus zur Verfügung gestellt wurde.
(Bild: Mouser)

Auch wenn das Funktionsprinzip eines CPAP-Gerätes, Beatmungsgerätes oder Schutzvisiers einfach und klar zu sein scheint, gibt es einen Grund, warum nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen in die Entwicklung und Lieferung von medizinischen Geräten investiert. Es geht um Menschenleben – und daher müssen strenge Qualitäts- und Risikomanagementprozesse wie ISO 13485 und ISO 14971 implementiert werden. Medizinische Geräte müssen auch die Anforderungen der IEC 60601 erfüllen, in der die Prüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) definiert ist, und zwar sowohl für das Gerät selbst wie auch für andere in seiner Umgebung betriebene Geräte. Wie in den dargestellten Projekten gezeigt wurde, ist die Zusammenarbeit mit und die Anleitung durch Fachleute und Normenbehörden an vorderster Front des Gesundheitswesens von entscheidender Bedeutung, damit gewährleistet werden kann, dass die Designs sicher sind und die erforderlichen Anforderungen erfüllen.

Covid-19-Pandemie als Herausforderung

Die rasche Verbreitung von Covid-19 hat die breite Öffentlichkeit schockiert und uns in eine Situation gebracht, die viele von uns noch nie erlebt haben und auch nie wieder erleben wollen. Gleichzeitig sorgen aber die Herausforderungen, denen sich viele Menschen aufgrund mangelnder Ausrüstung gegenübersahen, dafür, dass der technische Einfallsreichtum auf der ganzen Welt einen Schub bekommt. Durch das Knüpfen neuer Beziehungen zwischen Einzelpersonen, Unternehmen, Entscheidungsträgern und Angehörigen der Gesundheitsberufe lassen sich sowohl unmittelbare Engpässe als auch zugrunde liegende langfristige Mängel kompetent angehen und damit die Gesundheitsversorgung auf der ganzen Welt verbessern.

Dieser Beitrag stammt von unserem Partnerportal Elektronikpraxis.

* Mark Patric ist Mitarbeiter bei Mouser Electronics.

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