Diskussion um Nutzen und Kosten von DiGA

„Die Gesundheits-Apps stecken noch in den Kinderschuhen“

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Seit September 2020 wurden insgesamt 36 Anwendungen aufgenommen. Drei davon wurden zwischenzeitlich wieder gestrichen, sodass aktuell 33 Anwendungen im DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet sind – 27 Anwendungen jedoch zunächst auf Probe. Diese konnten mit der Aufnahme noch keine positiven Versorgungseffekte nachweisen, heißt es in dem DiGA-Bericht. Das Problem laut GKV ist dabei, dass gerade in den ersten zwölf Monaten, in denen der Nutzennachweis eben noch nicht erbracht werden muss, die Preisgestaltung frei ist. Das führt dazu, dass sich im Verzeichnis DiGA mit einem einmaligen Preis von 119 Euro, aber genauso Anwendungen mit einer 90-Tage-Lizenz für 952 Euro finden. Im Durchschnitt liegen die Preise bei fast 500 Euro für ein Quartal. „Damit sind die von den Herstellern im ersten Jahr beliebig festgelegten Preise gegenüber dem Vorjahr nochmals deutlich angestiegen. Sie stehen zudem in keinem Verhältnis zur Vergütung einer konventionellen (z. B. ambulanten ärztlichen) Versorgung und übersteigen diese um ein Vielfaches“, so die Autoren.

DiGA-Leitfaden fordert Nutzennachweis

Der Spitzenverband der Digitalen Gesundheitsversorger widerspricht dieser Darstellung jedoch: „Der aktuelle DiGA-Report des GKV-SV weist eine politisch motivierte Interpretation von Daten aus und dient dem Ziel, enger in den Zulassungsprozess von DiGA eingebunden zu werden“, so die Geschäftsführerin Dr. Anne Sophie Geier. Nora Blum konkretisiert hier noch: „Es ist schlichtweg nicht richtig, dass DiGA in der Erprobung keinen Nutzennachweis erbringen müssen, um gelistet zu werden. Sämtliche DiGA, die vom BfArM in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden, müssen einen Nutzennachweis erbringen.“ Die Anforderungen an diesen seien sogar „sehr hoch“, das zeige auch die große Anzahl an zurückgezogenen und abgelehnten DiGA-Anträgen. 80 Prozent gingen auf nicht erbrachte Evidenz zurück.

Klinische Evidenz überzeugt Ärzteschaft

Bei Ärzten und Ärztinnen steigt die Akzeptanz für digitale Gesundheitsanwendungen laut der Studie „Ärztinnen und Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2022“ deutlich. Über ein Drittel der ambulant Tätigen haben entsprechende Anwendungen bereits verschrieben, 13,9 Prozent wollen dies zudem in nächster Zeit tun. Im Vergleich zum Vorjahr ist so auch der Anteil der Ärzte, die ausdrücklich keine DiGA verschreiben wollen, von 55 auf 34,7 Prozent gesunken.
Überzeugen lassen sich die Befragten dabei von der klinischen Evidenz (66,4 Prozent), aber auch die sich wandelnden Bedarfe der Patienten (49,1 Prozent) und die gestiegene Vertrautheit mit digitalen Diagnostika beziehungsweise Therapeutika (47,1 Prozent) wirken sich positiv aus.
Als besonders wirksam erachten die befragten Leistungserbringer die digitalen Anwendungen dabei im somatischen Bereich, etwa in Form einer Tagebuchfunktion (73,6 Prozent). Auch Apps zum Aufzeichnen von Vitalparametern (71,8 Prozent) oder zur Verhaltenskontrolle (69,2 Prozent) befürwortet die Ärzteschaft. Zum Einsatz kommen DiGA jedoch am häufigsten bei psychischen Indikationen. „Das legt nahe, dass die für diesen Bereich angebotenen Apps die vorhandenen Bedarfe derzeit besser abdecken als im somatischen Bereich“, so Prof. Dr. med. Dr. rer. pol. Konrad Obermann, Forschungsleiter der Stiftung Gesundheit.

Ärztinnen und Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 22

Genau genommen sieht der DiGA-Leitfaden nämlich vor, dass DiGA-Hersteller, die einen Antrag auf Erprobung stellen, plausibel darlegen müssen, „dass die DiGA für eine bestimmte Patientengruppe einen oder mehrere pVE erzielen kann“. Dafür wird die Vorlage einer systematischen Auswertung von Daten zur Nutzung der DiGA gefordert. „Die systematische Datenauswertung umfasst neben einer systematischen Literaturrecherche und -bewertung auch den Einschluss eigener systematisch ausgewerteter Daten, die in der Anwendung der DiGA gewonnen wurden. Die Auswertungen sollen erste Anhaltspunkte liefern, die im Rahmen der Erprobung durchzuführende Studie vorbereiten und neben den Interventionseffekten, die gezeigt werden sollen, beispielsweise auch Fallzahlen, Messinstrumente, Rekrutierungsmethoden und andere relevante Fragestellungen adressieren“, so der DiGA-Leitfaden.

Und auch bei den Kosten kann Blum die Kritik nicht nachvollziehen: „DiGA-Hersteller legen keine beliebig hohen Preise fest, denn es gibt definierte Höchstbeträge pro Indikationsgebiet. Diese Höchstbeträge hat der GKV-SV im Übrigen mit verhandelt. Gleiches gilt für die Vergütungsbeträge, die rückwirkend ab dem 13. Monat der Listung gelten“, erklärt sie.

Digitale Pflegeanwendungen als Vorbild?

Wie soll es also weitergehen? Der GKV-Spitzenverband fordert eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen: Einerseits sollen künftig nur noch DiGA „mit einem klaren medizinischen Nutzen für Patientinnen und Patienten“ in das Verzeichnis aufgenommen werden. Andererseits fordert der Verband „das Gebot der Wirtschaftlichkeit“ zu wahren, „indem die verhandelten Preise vom ersten Tag der Aufnahme in die Regelversorgung gelten“. Zudem sollten die Rahmenbedingungen für DiGA mit anderen GKV-Leistungsbereichen harmonisiert werden, „indem die Leistungserbringenden und der GKV-Spitzenverband in den Zulassungsprozess mit einbezogen werden“. So würden die Rahmenbedingungen für die DiGA denen der digitalen Pflegeanwendungen ähneln. Blum sieht diesen Schritt skeptisch: „Die Möglichkeit, als DiGA auch vorläufig zur Erprobung aufgenommen zu werden, wurde vom Gesetzgeber ja nicht grundlos implementiert, sondern hat endlich zu der benötigten Beschleunigung in der Erstattung von digitalen Lösungen geführt“, gibt sie zu bedenken. Und auch der Verband betont: „Viel wichtiger als Machtpolitik sollte es jetzt sein, gemeinschaftlich einfache Zugänge für Patienten und eine zukunftsfähige Integration in die Versorgung zu schaffen.“

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