Apps auf Rezept DiGA: Von der Forschung in die Versorgung
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Digitale Gesundheitsanwendungen werden von den Krankenkassen kritisiert. Gerade vorläufig gelistete DiGA seien zu teuer, obwohl ihr Nutzen noch nicht nachgewiesen ist. Doch ist das wirklich so?

Mit der Etablierung digitaler Gesundheitsanwendungen als Regelleistung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist Deutschland international Vorreiter. Seit mittlerweile zwei Jahren können Leistungserbringer die digitalen Helfer auf Rezept verschreiben – die Kosten übernehmen die Krankenkassen und kritisieren eben diese auch sogleich. Zu teuer seien die Anwendungen demnach und das, obwohl der Nutzen nicht nachgewiesen sei.
„Die unverändert hohe Quote von DiGA auf Probe zeigt, dass oftmals noch offenbleibt, was die Angebote wirklich bringen. Trotz dieser unklaren Evidenzlage rufen die herstellenden Unternehmen beliebig hohe Preise auf und der gesetzlichen Krankenversicherung sind im ersten Jahr bei dieser Preisspirale nach oben die Hände gebunden“, so Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. „Hier sollte der Gesetzgeber schleunigst einen Riegel vorschieben. Die Krankenkassen sollen eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten sichern und keine Wirtschaftsförderung mit Beitragsgeldern betreiben.“
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Diskussion um Nutzen und Kosten von DiGA
„Die Gesundheits-Apps stecken noch in den Kinderschuhen“
Natürlich, der Weg zur DiGA ist vermutlich bei jeder Anwendung ein anderer, und auch schwarze Schafe finden sich in allen Bereichen des Lebens – also auch hier. Dennoch – und das ist Fakt – müssen die Anwendungen gewisse Voraussetzungen erfüllen, um vom BfArM (vorläufig) aufgenommen zu werden.
Studien über Studien
Nehmen wir beispielsweise die DiGA „HelloBetter Schlafen“. Sie hat ihren Ursprung in einem europäischen Forschungsprojekt, dass sich mit digitalen psychotherapeutischen Interventionen bei Insomnie beschäftigte. Dr. Hanne Horvath, Psychologin und Gründerin von HelloBetter, entwickelte und evaluierte dabei im Rahmen ihrer Promotion das Online-Therapieprogramm. Das Unternehmen entstand anschließend als Spin-off aus der Forschungsarbeit.
In der Forschungszeit wurden für die Anwendung bereits mehrere Studien durchgeführt – jeweils mit einer anderen Zielgruppe. „Eine Studie untersuchte die Wirkung bei Arbeitnehmenden, eine bei internationalen Studierenden, und eine weitere bei Lehrkräften“, so Horvath und schließt: „Zusammengenommen decken sie im Grunde einen Großteil der deutschen Bevölkerung ab.“
Das reicht jedoch nicht, um als DiGA vollständig in das BfArM-Verzeichnis aufgenommen zu werden. Der DiGA-Leitfaden sieht nämlich zwei Schritte bei der Zulassung vor. Einerseits müssen DiGA-Hersteller einen Antrag auf Erprobung stellen und für diesen plausibel darlegen, dass die DiGA für eine bestimmte Patientengruppe einen oder mehrere positive Versorgungseffekte (pVE) erzielen kann. Heißt, es braucht einerseits eine systematische Literaturrecherche und -bewertung. Andererseits systematisch ausgewertete Daten, die durch die Anwendung der DiGA gewonnen wurden. „Die Auswertungen sollen erste Anhaltspunkte liefern, die im Rahmen der Erprobung durchzuführende Studie vorbereiten und neben den Interventionseffekten, die gezeigt werden sollen, beispielsweise auch Fallzahlen, Messinstrumente, Rekrutierungsmethoden und andere relevante Fragestellungen adressieren“, heißt es im Leitfaden.
Für die vollständige Aufnahme braucht es jedoch noch eine offizielle Versorgungsstudie, in der der positive Versorgungseffekt (pVE) dann schließlich über die gesamte Bevölkerung hinweg nachgewiesen wird. Die einzelnen Studien von HelloBetter sind in so einem Fall beispielsweise nicht zugelassen. Der Hersteller muss für die vollständige Zulassung nun auch nochmal eine breit angelegte klinische Studie machen.
„Im Zentrum dieser Studie steht der medizinische Nutzen und damit die Frage, ob sich die Kernbeschwerden einer Erkrankung signifikant reduzieren“, erklärt Horvath. „Das wird bei der randomisiert-kontrollierten Studie so gemacht, dass sowohl der Zustand der Gruppe, die das Medizinprodukt durchläuft, als auch die Kontrollgruppe, die das Produkt nicht durchläuft oder eine Alternativtherapie erhält, vorher, nachher und einige Monate später noch einmal gemessen wird. Anschließend werden die Ergebnisse verglichen.“ Bei Insomnie-DiGA kommen dafür validierte Fragebögen zum Einsatz, zum Beispiel den Insomnia Severity Index. Genauso würden Schlafmediziner oder Psychotherapeut in ihrer Praxis vorgehen, so Horvath.
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