Digitale Gesundheitsanwendungen Forderung nach höchsten Standards beim Nutzen-Nachweis

Von Natalie Ziebolz |

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Digitale Gesundheitsanwendungen sollen den Patienten beispielsweise bei chronischen Krankheiten unterstützen. Voraussetzung für die (endgültige) Aufnahme ins BfArM-Verzeichnis ist allerdings ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit. Hier sollten laut der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin die höchsten Standards angesetzt werden.

DiGA sind „digitale Helfer“, mit denen Patientinnen und Patienten bei der Behandlung bestimmter Krankheiten unterstützt werden
DiGA sind „digitale Helfer“, mit denen Patientinnen und Patienten bei der Behandlung bestimmter Krankheiten unterstützt werden
(Bild: elenabsl – stock.adobe.com)

Bis zum Jahresende werden digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) wohl rund 125.000 Mal verordnet worden sein – und damit dreimal so oft wie noch im Vorjahr (44.000). So zumindest die Schätzung des Beratungsunternehmens McKinsey. Eine beachtliche Steigerung, bedenkt man, dass derzeit lediglich 34 Gesundheitsapps im Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet sind. Sie sollen die Nutzer und Nutzerinnen etwa bei Reizdarm, psychischen Problemen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen unterstützen.

Das Problem: Die meisten gelisteten DiGAs sind nur vorläufig zugelassen. Das heißt, die Hersteller müssen noch ihren medizinischen Nutzen oder eine patientenrelevante Struktur- oder Verfahrensverbesserung anhand geeigneter Studien nachweisen. „Die Untersuchung von DiGA in wissenschaftlichen Studien ist eine Herausforderung, da bei ihrer Anwendung viele Aspekte ineinandergreifen. Dazu zählen beispielsweise die Motivation und die technischen Fähigkeiten der Anwendenden oder aber die Fähigkeit der Verordnenden, die DiGA und ihren Nutzen zu erklären“, weiß Martin Möckel, Ärztlicher Leiter der Notfallmedizin und der Chest Pain Units am Campus Mitte und am Virchow-Klinikum.

Diese Vorgabe stellt besondere Anforderungen an das Studiendesign, betont die Arbeitsgruppe „DiGA/KI in Leitlinien“ der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DIGM) in einer aktuellen Veröffentlichung. Das heißt, es benötigt belastbare Outcome-Parameter. „Aus unserer Sicht eignen sich prospektive, idealerweise randomisierte und kontrollierte Interventionsstudien am ehesten, um unmittelbare Effekte einer DiGA nachzuweisen“, so Möckel. Damit sind Studien gemeint, bei denen einer sogenannten Interventionsgruppe, welche Zugang zu einer bestimmten DiGA hat, eine Vergleichsgruppe gegenübergestellt wird, die entweder eine Behandlung ohne digitale Unterstützung oder eine vergleichbare DiGA erhält.

Um am Ende der Studie die Ergebnisse auch interpretieren zu können, ist es dabei wichtig, dass die Methodik präzise berichtet und dabei unter anderem die Auswahl der Probanden, das Nutzungsverhalten der Studienteilnehmer und auch mögliche Abbrüche der Behandlung berücksichtigt. Dies gelte dann entsprechend auch für die nachfolgenden Phase-IV-Studien, die durch die Krankenkassen durchgeführt werden, erklärt Möckel und weiter: „Wie die Krankenkassen würden auch wir es begrüßen, wenn es einheitliche und anerkannte Standards zur Durchführung und Bewertung der Studien gäbe.“ Die Techniker Krankenkasse hatte das Thema bereits in ihrem DiGA-Report 2022 aufgegriffen.

Alles in allem ist die DGIM der Meinung, das es noch viel Forschungsbedarf bei den digitalen Gesundheitsanwendungen gibt: „Insgesamt liegen noch wenige Daten zum Nutzen der internistischen DiGA vor. Auch über ihre Wirksamkeit in der Routineanwendung wissen wir noch wenig, da noch keine Untersuchungen etwa auf Basis von Abrechnungsdaten veröffentlicht wurden“, so Möckel. „Es ist nun Aufgabe der Hersteller der digitalen Gesundheitsanwendungen, diese Lücke zu schließen und den medizinischen Nutzen nach hohen wissenschaftlichen Standards nachzuweisen. Wenn ihnen das gelingt, könnten DiGA als eine niederschwellige, moderne und evidenzbasierte Therapie-Option die Versorgung sinnvoll ergänzen“, ergänzt der aktuelle DGIM-Vorsitzende Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Direktor der Abteilung für Rheumatologie und Klinische Immunologie an der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim, und fügt hinzu: „Wichtig ist dabei auch, die Patientinnen und Patienten darauf hinzuweisen, dass DiGA keine ‚Spiele-Apps‘ sind, sondern Medizininstrumente, von denen relevante Entscheidungen abhängen.“

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