Zuschläge bei kommerziellen Terminvermittlern „Terminvergabe gehört ausschließlich in die Hände der Ärzte“
Die FDP-Fraktion möchte die Terminvergabe von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten über kommerzielle Ärzteportale wie Doctolib oder Jameda finanziell fördern. Die Terminvergabe werde dadurch nicht verbessert, sind Ärzteverbände sicher – und auch bei der Verbraucherzentrale stößt dieser Schritt auf Kritik.

Einen Termin bei einem Facharzt vereinbaren? In vielen Regionen Deutschlands ist dies für Patienten und Patientinnen nicht so einfach möglich. Gerade Kassenpatienten kämpfen mit Aufnahmestopps und langen Wartezeiten. Neu ist das Thema allerdings nicht, bereits im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das am 11. Mai 2019 in Kraft trat, wurde daher eine Regelung verankert, nach der Haus- und Fachärzte eine bessere Vergütung erhalten, wenn sie Neupatienten aufnehmen.
Diese Neupatientenregelung wurde allerdings zum 1. Januar 2023 abgeschafft. Stattdessen erhalten Ärzte nun Zuschläge für Patienten, die über die Terminvermittlungsstelle (TSS) zustande kommen. Die Höhe des Zuschlags ist dabei anhängig von der Schnelligkeit der Vermittlung und beträgt entweder 100, 80 oder 40 Prozent zur Versicherten- und Grundpauschale – im Akutfall sogar 200 Prozent. Dafür muss die Behandlung jedoch spätestens am nächsten Tag erfolgen. Fachärzte erhalten die Zuschläge auch, wenn der Hausarzt die Vermittlung übernimmt. Ausgenommen ist hier nur der Akutfall.
Die Kritik an der Neuregelung ist jedoch groß: „Die Zuschläge gleichen die neue Finanzierungslücke, die mit dem Wegfall der Neupatientenregelung entsteht, in keiner Weise aus“, kritisierte etwa Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender. Den Beschluss wertete er als „Ausdruck fehlender Wertschätzung für die Arbeit der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten“. Die Bundesregierung müsse sich ihrer Verantwortung bewusst sein, dass sie hierzulande entgegen aller Versprechungen mit diesem Vorstoß massiv Leistungen kürze.
„Doctolib-Zuschlag“ geplant – und kritisiert
Nun sollen die Zuschläge nachgebessert werden, allerdings nicht in Form einer neuen Neupatientenregelung. Die FDP-Fraktion hat stattdessen vorgeschlagen, dass auch Arztpraxen von den Zuschlägen profitieren sollten, die kommerzielle Online-Terminvermittlungsplattformen wie Docotlib oder Jameda nutzen – und eben nicht die TSS. Im Bundesgesundheitsministerium (BMG) kam der Vorschlag gut an, er hat es daher auch in den aktuellen Entwurf des Versorgungsgesetzes geschafft.
„Dass ausgerechnet eine Partei wie die FDP erst die Abschaffung der Neupatientenregelung zulässt und im nächsten Schritt die Terminvermittlung über kommerzielle Anbieter mit unseren Geldern fördern möchte, ist doch verkehrte Welt“, bemängelt MEDI-Vizechef Dr. Norbert Smetak. Ähnlich sieht es auch der Virchowbund-Chef, Dr. Dirk Heinrich: „Der liberale Vorschlag, die ärztliche Terminvergabe quasi zu privatisieren und in die Hände von internationalen Tech-Unternehmen zu legen, verbessert die Terminsituation nicht.“
Heinrich verweist zudem auf das vorhandene Angebot: „Es gibt eine Terminservicestelle der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) unter der Rufnummer 116 117 und sie funktioniert!“, erklärt er. Die KBV allein sei für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung in Deutschland zuständig. „Und deshalb gehört die Terminvermittlung auch ausschließlich dort hin“, stellt er klar. Die TSS könnte man auch weiterentwickeln und direkt an die Terminvermittlung der Arztpraxen anbinden, schlägt Thomas Moormann, Leiter Team Gesundheit und Pflege beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), vor.
Geschäftsmodell kommerzieller Ärzteportale problematisch
Doch auch das Geschäftsmodell der privatwirtschaftlichen Ärzteportale stößt auf Kritik, denn Leistungserbringer können sich dort gute Bewertungen und Rankings erkaufen. „Stellen wir uns mal vor, wie die Terminvergaben über diese Anbieter künftig aussehen würden. Die lukrativsten Behandlungen erhalten dann die Ärztinnen und Ärzte, die ein Premium-Abo ‚Platin‘ besitzen. Das ist unverantwortlich für die Ärztinnen und Ärzte, aber vor allem auch für unsere Patientinnen und Patienten“, mahnt Smetak.
Moorman verweist zudem darauf, dass das Geschäftsmodell entsprechender Plattformen bereits funktioniere und daher nicht zusätzlich subventioniert werden müsse – „zumal es sich hier um Geldmittel der Beitragszahlerinnen und -zahler handelt“. „Hinzu kommt, dass bei diesen kommerziellen Terminvermittlungsdiensten oft der Umgang mit den besonders schützenswerten Daten zum Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten unklar und für den Einzelnen schwer zu durchschauen ist“, erklärt er.
Das Problem liegt laut Heinrich sowieso in der Budgetierung: „Solange die Politik über den Weg der Budgetierung die Leistungen nicht oder nicht vollständig bezahlt, wird es begrenzte Leistungen – und damit Termine – geben. Da nutzt auch die beste Terminvermittlung nichts. Stattdessen wäre viel sinnvoller, die hohe Zahl an unentschuldigt versäumter, online vereinbarter Arzttermine durch Patienten anzugehen und dadurch die ‚Ressource Arzt‘ besser zu nutzen“, fordert der Virchowbund-Vorsitzende. Laut den Mitgliedern des Verbandes platzt schließlich jeder vierte online vereinbarte Termin. „Hier muss die KBV gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband eine entsprechende Säumnis-Gebühr entwickeln. Eine solche Gebühr liegt letztendlich auch im Interesse der Krankenkassen, wenn sie eine gemeinsame Versorgungsverantwortung und den wirtschaftlichen Einsatz begrenzter Ressourcen fördern und das Solidarprinzip der GVK stärken wollen“, so Dr. Heinrich.
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