Medizinische Roboter und robotische Assistenzsysteme Aus der Industrie an den OP-Tisch
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Roboter sind in der Medizin angekommen. Sie sind kleiner, flexibler, präziser. Das ist nicht nur für den Patienten von Vorteil, sondern auch für die Krankenhäuser – vorausgesetzt, sie können die Technologie finanzieren.

Die Geschichte der Robotik im Operationssaal ist noch gar nicht so alt: 1985 fand die erste Roboter-OP im kalifornischen Long Beach statt – damals noch mit einem Industrieroboter. Der zuständige Chirurg lenkte dabei den Arm des Roboters mithilfe eines Computertomographen zum Schädel des Patienten, um Gehirngewebe zu entnehmen. In den folgenden Jahren teilte sich das Feld in weitestgehend autonom operierende Roboter – wie den Probot des Londoner Imperial College oder den Robodoc von Integrated Surgical Systems – und Manipulatoren mit direkter menschlicher Steuerung. Der bekannteste Vertreter ist hier wohl „da Vinci“, 1995 von der Firma Intuitive Surgical zur Marktreife gebracht.
2003 erlitt die Branche allerdings einen Rückschlag. Bei zahlreichen Patienten ging die Robodoc-OP schief, sie erlitten dauerhafte Schäden. Der Grund: Der Roboter erhielt hierzulande eine Zulassung, obwohl nicht ausreichen wissenschaftliche Daten vorlagen. Dr. Peter Schräder, Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V, erklärte damals, dass sich die Methode eigentlich noch im Stadium der klinischen Erprobung befände.
Seitdem hat sich einiges getan in puncto medizinischer Robotik, und die mechanischen Assistenten haben sich mittlerweile in den Operationssälen etabliert – oder?
Sicher, präzise und doch nur selten angewandt
Laut einer Umfrage von Bitkom und Hartmannbund greifen aktuell 19 Prozent der Krankenhäuser bei OPs und Eingriffen auf Roboter-Unterstützung zurück. 25 Prozent nutzen die Technologie zwar noch nicht, halten diese aber für sinnvoll. „Aktuell werden in Deutschland rund acht bis zehn Prozent der Eingriffe robotisch durchgeführt – wohlwollend geschätzt – und auch das nur in Kliniken, die Roboter haben“, erklärte Prof. Dr. Dirk Wilhelm, Oberarzt der Viszeralchirurgie und Leiter des Robotikzentrum am Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München, beim MedtecSUMMIT zum Thema „Assistiert er noch oder operiert er schon – Klinische Robotik: Die Ärzte der Zukunft?“.
Die Vorteile von Roboter-assistierten Operationen liegen allerdings klar auf der Hand: Die Beweglichkeit der Instrumente, stationäre Aufenthalte werden im Schnitt um fünf Tage pro Patient reduziert, und Wundheilungsstörungen kommen nahezu nicht mehr vor. Auch perioperative Komplikationen werden reduziert und gleichzeitig der Arbeitsplatz für motivierte und qualifizierte Fachkräfte aufgewertet. So sieht es zumindest Svetoslav Dyakov, Leiter Robotische Urologie, Universitätsklinikum Augsburg. Er kritisiert, dass immer nur auf den hohen Preis der Technologie geachtet werde, aber Aspekte wie die Erweiterung des Leistungsspektrums oder die wegfallenden Kosten durch kürzere Aufenthalte nicht gesehen würden. „Wir wissen alle, was ein Tag im Krankenhaus kostet. Das sind enorme Kosten, die man dann wieder spart“, so Dyakov.
Und auch wenn der Fall Robodoc anderes vermuten lässt, die Systeme sind heute sicher: „Berichte über Komplikationen, über Zwischenfälle, die mit Operationssystemen der Art passieren, existieren quasi nicht und sind eine absolute Ausnahme“, so Wilhelm. Vorausgesetzt natürlich, die Ärzte seien im Umgang mit der Technologie trainiert.
Digital Natives im Vorteil?
Für dieses Training kommen Simulatoren zum Einsatz, die eine umfassende Auswertung der Operationen zulassen. Mit diesen Daten können die Ärzte dann gezielt Performance, Ergonomie und Interventionen verbessern. Feldstudien hätten zudem gezeigt, dass sich robotische Eingriffe wesentlich leichter und schneller erlernen ließen als beispielsweise die minimalinvasive Chirurgie, erklärt Wilhelm.
Laut Dyakov habe dies auch Einfluss auf die Ausbildung der Zukunft. Es werde dann nicht mehr strikt nach dem OP-Katalog und damit der Anzahl an Eingriffen gehen, junge Chirurgen würden stattdessen solange an Simulatoren üben, bis sie bereit seien, Menschen zu operieren. „Was ganz wichtig ist, und ich glaube, das sollten wir hier, mit Blick auf die Robotik, diskutieren, dass man auch die Assistenten dort abholt, wo sie gut sind“, ergänzt Wilhelm – etwa im Umgang mit Technik und der Steuerung dieser. „Wir müssen lernen, spezifisch auf die Eignungen Systeme oder Prozesse zu entwickeln, die tatsächlich ein optimales Endergebnis bringen.“
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