Rettungsaktion und Reformbedarf Krankenhäuser im Krisenmodus
Anbieter zum Thema
„Wir lassen in dieser Energie- und Inflationskrise unsere Krankenhäuser nicht im Stich und werden sie über den Herbst und über den Winter bringen“ – so der Bundesgesundheitsminister. Diese kurzfristigen Hilfen sind sicher nötig – Strukturreformen aber ebenso.

Digitalisierung gehört sicher zu den drängendsten Aufgaben im Gesundheitswesen, aber viele Krankenhäuser treiben derzeit andere Sorgen um: Inflation und steigende Energiepreise gefährden ihre wirtschaftliche Existenz, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Krankenhausgesellschaften der Länder fordern daher umgehende Hilfe von der Bundesregierung. Noch bis Ende des Monats laufen bundesweite Aktionen, mit denen sie auf ihre Situation aufmerksam machen wollen.
Krankenhäuser können gestiegene Kosten nicht einfach durch Preisaufschläge ausgleichen. Für 2022 ist eine Steigerung der Erlöse nur 2,3 Prozent vorgesehen, auch für 2023 gelte eine „absurde Deckelung“, wie etwa Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) erläuterte. Würden Krankenhäuser aber unwirtschaftliche Leistungen einstellen, bestünde die Gefahr eines Zusammenbruchs der stationären Versorgung. „Wir brauchen dringend für die nächsten 15 Monate einen Inflationsausgleich in Form eines Rechnungsaufschlags von 4 Prozent“, so Engehausen.
„Wir werden die Energiekosten, die Inflationskosten und die zurückgegangenen Fallzahlen analysieren. Wir werden ein Hilfspaket schnüren“, versprach Gesundheitsminister Karl Lauterbach in seiner Rede zur Haushaltsdebatte am 8. September. Man arbeite an einer kurzfristigen Lösung, „damit die Krankenhäuser nicht in einer Situation, wo 40 Prozent der Krankenhäuser Liquiditätsprobleme haben, in unüberbrückbare Schwierigkeiten kommen.“ Dazu sollen in den nächsten Wochen konkrete Vorschläge vorgelegt und mit den Ländern beschlossen werden.
Doch die Probleme in den Krankenhäusern liegen tiefer, das wird auch während der Pressekonferenzen deutlich. Dr. Axel Fischer, Geschäftsführer der München Klinik, hält die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland für zu hoch, die finanzielle Unterstützung sei aber akut nötig, um ein „ungeordnetes Sterben“ der Krankenhäuser zu verhindern. Es gäbe mehrere Krisen: strukturelle wie wirtschaftliche, Fachkräftemangel und Lieferkettenprobleme – und entsprechenden Reformbedarf. Mit der Meinung ist er nicht allein: Laut einer Umfrage des Krankenhausinstituts im August halten 94 Prozent der Krankenhäuser eine grundlegende Struktur- und Finanzierungsreform im Krankenhausbereich für notwendig. Weniger klar ist, wie diese Reformen aussehen sollten.
Es fehle ein Zielbild, so Fischer. Auch Heike Gülker, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes in Bayern, vermisst eine langfristige Planungsperspektive.
Zukunftsplanung der Krankenhäuser
Eine Zielvorstellung für die Gesundheitsversorgung sollte sich letztlich in der geplanten Digitalisierungsstrategie des Bundes finden, mit deren Erarbeitung aber gerade erst begonnen wurde. Pläne zur Steuerung über die Fallpauschalen aber hat der Gesundheitsminister im Rahmen der Haushaltsdebatte angekündigt: Kinderkliniken sollen komplett aus dem Bereich der Fallpauschalen genommen werden und wieder Kosten abrechnen können. „Dafür werden wir zusammen mit den Ländern ein Gesetz vorbereiten“, so Lauterbach.
Bei Fallpauschalen allgemein wolle man durch sogenannte Vorhaltepauschalen „künftig dort mehr Geld hinsteuern, wo die Krankenhäuser unbedingt benötigt werden“. Wo es Überversorgung gibt, sind dagegen relative Abschläge geplant. Damit sollten Anreize dafür gesetzt werden, „dass tatsächlich die demografische und die medizinische Situation dafür verantwortlich ist, wo investiert wird“, so Lauterbach.
Doch Investitions- und Krankenhausplanung ist Sache der Länder, diese sind also ebenso gefordert, wenn es um Strukturreformen geht. Dabei geht es auch um alternative Planungsansätze. Der Krankenhausplan 2022 von Nordrhein-Westfalen etwa basiert auf einem Gutachten, das eine bedarfs- und qualitätsorientierte Versorgung stärker in den Vordergrund stellt, die derzeit verbreitete fachgebiets- und bettenorientierte Krankenhausplanung kritisch überprüft und alternative Vorgehensweisen für eine qualitätsorientierte Krankenhausplanung entwickelt. Ein zweiter Aspekt betrifft die stärkere Verknüpfung stationärer und ambulanter Betreuung und somit auch die einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit. Digital verfügbare Patientendaten, Telekonsile und telemedizinische Betreuung sind dafür nötig – Krankenhäuser sollten sich also so schnell wie möglich wieder mit Digitalisierung beschäftigen können.
(ID:48568572)