eRezept-Stopp in Schleswig-Holstein Viel Wirbel um nichts
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Am Montag, kurz vor Start des Rollouts, hat sich die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) überraschend vom eRezept zurückgezogen. Doch was bedeutet das nun für die Anwendung?

„Die KVSH muss Ihnen mitteilen, dass der digitale Weg, den datenlosen QR-Code des eRezeptes per Mail- oder SMS-Verfahren an Patienten/Patientinnen oder ggf. Apotheken zu senden, seitens der Datenschutzbehörde SH untersagt worden ist“, beginnt das Schreiben, mit dem die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) ihre Mitglieder über den Ausstieg beim eRezept-Rollout informiert.
Obwohl er selbst keine Daten enthält, sondern lediglich einen Schlüssel darstellt, mit dem Apotheken ermächtigt werden, das eRezept beim Fachdienst der Gematik abzurufen, wurde das Versenden des QR-Codes von der Datenschutzbehörde bereits als Übermittlung von Gesundheitsdaten bewertet. Immerhin könne der Code auch von Dritten in frei erhältlichen Apotheken-Apps genutzt werden. Bei Hochladen in entsprechende Applikationen würden die Daten ermittelt und dem Nutzer angezeigt. Ein Mailingverfahren käme daher nur in Betracht, wenn dem QR-Code zusätzlich eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung angefügt werden.
Das Aus noch vor dem Start
Da stellt sich unweigerlich die Frage, wieso entsprechende Faktoren nicht bereits im Vorfeld abgeklärt wurden. „Die Gematik hat bis dato nur zwei Verfahren freigegeben: Einerseits die eRezept-App, die jedoch nur in 0,4 Prozent der Fälle genutzt wird, da die Aktivierung relativ aufwendig ist und sowohl eine NFC-fähige Gesundheitskarte als auch ein NFC-fähiges Smartphone benötigt werden. Andererseits steht noch der Papierausdruck zur Verfügung“, erklärt Monika Schindler, Leiterin Digitalisierung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). „Sowohl die Verantwortlichen aus Westfalen-Lippe als auch Schleswig-Holstein waren daher der Meinung, dass ein dritter, digitaler Weg für die Übertragung benötigt wird. In Westfalen-Lippe hat man sich daraufhin dazu entschieden, das Verfahren rund um die eGK zu testen, in Schleswig-Holstein hat man das Potenzial im eMail- und SMS-Verfahren gesehen.“ Das Verfahren habe sich also noch in der Testphase befunden. „Wenn der Datenschutz allerdings sagt, es geht nicht, dann muss man das Verfahren einstellen und nach neuen Lösungen suchen“, so Schindler pragmatisch. Dies gelte auch für alle anderen Patientendaten, die möglicherweise noch per eMail versendet werden.
Ähnlich äußert sich auch die Gematik: „SMS oder eMail waren nie als sichere Einlösewege des eRezepts Bestandteil der Gematik-Spezifikationen, sondern eine individuelle, von nur sehr wenigen Herstellern angebotene Entwicklung der Software-Industrie. Die Gematik hat in der Vergangenheit bereits diesbezüglich auf Regulierungsbedarfe hingewiesen.“
Alternativen gesucht
Mögliche Alternativen seien die Übertragung der Dokumente über den Kommunikationsdienst KIM oder das Einstellen des Rezepts in die elektronische Patientenakte (ePA), erläutert die KVSH. „Beides kann in der TI stattfinden und ist damit unstrittig. Allerdings scheitern sowohl Gematik-App als auch KIM und ePA momentan noch am fehlenden Vorhandensein technischer Komponenten oder an Verfügbarkeiten.“ Damit bliebe aktuell nur der Papierausdruck, der aus Sicht der KVSH keinen digitalen Weg darstelle – daher auch der vorläufige Rückzug aus dem Rollout. „Sobald es digitale Wege gibt, die eRezepte alltagstauglich für Patienten und Praxen machen, werden wir uns intensiv wieder einschalten.“
Wie geht es weiter?
Die Entscheidung aus Schleswig-Holstein hat im gesamten also wenig Einfluss auf das eRezept und seinen Rollout. „Die Rahmenbedingungen, unter denen der Rollout in den Regionen geschieht, sind unverändert wie zu dem Zeitpunkt, als der Rollout vereinbart wurde: Es gab und gibt die eRezept-App und den Ausdruck des eRezepts als Weg, ein eRezept einzulösen“, bestätigt ein Sprecher der Gematik. Apotheken seien dazu ab 1. September bundesweit in der Lage und auch die Region Westfalen-Lippe setze ab 1. September wie geplant den Roll-out um.
„Wir respektieren natürlich die Entscheidung unserer Kolleginnen und Kollegen aus Schleswig-Holstein, allerdings werden wir vorerst nicht aus dem Projekt aussteigen“, so Thomas Müller, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. „Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass es bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens besser ist, auf dem Fahrersitz zu sitzen und den Kurs mitzubestimmen – damit wir möglichst unfallfrei durch diese Entwicklung kommen.“ Eine Forderung hat er dennoch: „Wir erwarten von der Gematik, dem Bundesgesundheitsministerium und den Apothekenverwaltungssystem-Herstellern, dass das eRezept spätestens in drei Monaten mit der eGK übertragen und eingelöst werden kann. Das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung des eRezepts und nicht verhandelbar.“
In drei Monaten sollen schließlich die nächsten Bundesländer mit dem Rollout starten. Welche das sein werden, entscheidet sich voraussichtlich bei der Gesellschafterversammlung kommende Woche.
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