Hauptstadtkongress 2019 Warten ist keine Option mehr
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Der „Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit“ in Berlin hat gezeigt: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist nicht nur nützlich, sondern auch bitter nötig.

Das Motto des diesjährigen, mittlerweile 22. Hauptstadtkongresses lautete „Gesundheitspolitik, Gesundheitsversorgung, Gesundheitsberufe in Zeiten des digitalen Wandels“. Die Themen der Workshops, der Vorträge und auch der Ausstellungsbereich stützten diese Vorgabe. Und der Tenor lautete: Es geht zu langsam voran.
Bilder zum Hauptstadtkongress 2019 gibt es hier:
Beispielsweise bei der Patientenakte (PA). Prof. Dr. Roland Eils, Gründungsdirektor des Berliner Zentrums für digitale Gesundheit, brachte dies in seinem Vortrag auf den Punkt: „Über die elektronische Patientenakte wird mindestens ebenso lang diskutiert wie über den neuen Berliner Flughafen.“ Zwar sei die PA in der Hightech-Strategie der Bundesregierung bis 2025 eingeplant, doch fehlten bislang Bekenntnis und Umsetzung einer forschungskompatiblen PA. Auch bei den Zuständigkeiten und einem internationalen Austausch hapere es noch.
Forschung
Dr. Eils' Herzensthema war jedoch die künstliche Intelligenz (KI). Um die KI trainieren und validieren zu können, braucht es laut Eils riesige Datenmengen. Diese Daten entstammten der Sequenzierung, Bildgebung und Phänotypisierung, aber auch der Erfassung durch Patienten selbst.
Vorreiter in der KI-Forschung und -Nutzung ist laut Eils die Onkologie. In seinem Vortrag zeigte er, wie die Genomsequenzierung einzelner Patienten die Heilungschancen bei Krebs drastisch erhöhen könnte; und er kritisierte, dass im deutschen Gesundheitswesen für derartige Präzisionsmedizin zu wenig Daten zur Verfügung stünden: „Ich würde behaupten, dass ein überzogener Datenschutz jetzt und hier in Deutschland Leben gefährdet.“ Seine Krebsforschungsgruppe „eilslabs“ verarbeitete im Jahr 2015 zum Beispiel 11 Terabyte an Daten – pro Tag. Auch hinter seiner aktuell laufenden „TOP-ART-Studie“ – einem Pilotprogramm mit 250 Krebspatienten – steht ein KI-trainierter Algorithmus. Ziel ist eine auf die individuelle Genomveränderung ausgerichtete Therapie. In der Vorhersage konnte der Algorithmus laut Eils bereits deutlich verbessert werden.
Auch etwa 20.000 Todesfälle pro Jahr wegen einer Sepsis wären mit Big-Data-basierten Softwaresystemen zur Entscheidungsunterstützung in Deutschland vermeidbar. Daran forscht derzeit der Bochumer Intensivmediziner Prof. Dr. med. Michael Adamzik, der sein Projekt ebenfalls vorstellte. Auch hierfür seien umfangreiche Big-Data-Erhebungen notwendig, die in Deutschland bislang nicht existieren.
„Wir brauchen eine flächendeckende Erfassung von Daten aus der Versorgung“, mahnte Dr. Eils und fordert die Integration von Forschungs- und Versorgungsdaten. „Daten können Leben retten, wenn Sie uns diese Daten erfassen und analysieren lassen.“ Gerade auch die selbst erfassten Daten seien von Interesse: „Ich glaube nicht, dass kranke Menschen etwas dagegen haben, wenn ihre Daten geteilt werden“, so Dr. Eils.
Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, wissenschaftlicher Leiter Deutsches Ärzteforum, schränkte hier ein: „Rahmenbedingungen brauchen wir aber schon!“
Krankenhaus
Um die Digitalisierung in Krankenhäusern voranzubringen, forderte Ekkernkamp die Einrichtung einer Handvoll Pilotkrankenhäuser, die mit moderner IT ausgestattet und wissenschaftlich begleitet werden.
Gesundheitsunternehmer Prof. Heinz Lohmann betonte, dass es darum gehe, die Menschen besser arbeiten zu lassen und „den Menschen zum Menschen zu bringen“. Eine „Dämonisierung von Sachkosten“ in der aktuellen politischen Diskussion hält er deshalb für falsch. Dr. Lohmann betonte, dass man sich auch mit der emotionalen Seite beschäftigen müsse, da es „Ängste vor Status-Verlust“ bei den Beschäftigten gebe.
Da IT im Krankenhaus vom Personal auch genutzt werden soll, betonte Hedwig Francois-Kettner, Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, die Bedeutung, Mitarbeiter mitreden zu lassen: „Die Akzeptanz wächst, wenn die Nutzer bei der Entwicklung mit ins Boot geholt werden.“
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