Prozessautomatisierung Wie Software-Roboter bei der Corona-Impfstoffvergabe helfen können
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Gut ein Jahr nach dem globalen Ausbruch der Covid-19-Pandemie startete zu Beginn dieses Jahres ein weltweites Impfprogramm. Doch der Unmut in der Bevölkerung zu Planung und Umsetzung steigt. Software-Roboter könnten an zahlreichen Stellen für schnellere Abläufe sorgen.

Die Anfang des Jahres gestartete Impfkampagne sollte wieder etwas Normalität in unseren Alltag bringen. Doch wer beispielsweise im Januar versuchte, online einen Impftermin zu buchen, kam oft nicht weit. Eigens eingerichtete Telefon-Hotlines und Plattformen brachen vielerorts zusammen, Termine verschwanden, sobald man sie anklickte, oder das System wurde – wie beispielsweise in Thüringen – direkt zum Auftakt von Cyberkriminellen gehackt.
Laut einer aktuellen Umfrage des Digitalverbands Bitkom versuchte fast jeder Zweite der in Deutschland Befragten (49 %) bis Anfang Februar telefonisch oder online einen Impftermin für sich selbst oder andere zu vereinbaren – reibungslos ist das jedoch nur bei 6 Prozent verlaufen. Hastig aufgesetzte Technik und Software sowie wenig Einheitlichkeit in der bundesweiten Organisation führten zu eigentlich vermeidbaren Fehlern. Drei Viertel (75 %) der Deutschen stufen die Planung rund um die Corona-Impfung daher als chaotisch ein. Doch wie hätte man es besser machen können und welche Technologien sind sinnvoll, um das Mammutprojekt Impfung zu stemmen?
Eine Möglichkeit, um Terminvergaben und Hintergrundprozesse schneller und effizienter abzuwickeln, könnte der Einsatz von Automatisierungssoftware sein. Sie wird bereits in unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens, wie der Umsetzung von Verwaltungsaufgaben und Back-Office-Funktionen, angewendet. Auch während der ersten Welle der Pandemie haben medizinische Einrichtungen weltweit bereits Automatisierungstechnologien genutzt, um Wartezeiten an Teststationen zu reduzieren und die Übermittlung von Testergebnissen sowie der Analyse von Daten zu beschleunigen. Einige dieser Prozesse können dabei auch auf die Organisation der Impfkampagne übertragen werden und könnten so auch zu einer Entlastung des Personals beitragen.
Regulatorisches Reporting
Datentransparenz ist eine der größten Hürden, die es in der Pandemie zu überwinden gilt. Daten müssen abgeglichen und Prioritäten geprüft werden – alles unter Wahrung des Datenschutzes. Hierzu müssen jedoch frühzeitig ausreichend neue Plattformen und Schnittstellen (Application Programming Interface oder kurz: API) vorbereitet werden, um einen reibungslosen Ablauf bei der Einführung der neuen Impfstoffe zu gewährleisten. In anderen Ländern wie zum Beispiel in den USA, wo es bereits elektronische Patientenakten (ePA) gibt, kam es jedoch hin und wieder zu Problemen.
Vor allem ältere ePAs, die keine APIs einlesen können und nicht über integrierte Anwendungen für das Personalwesen verfügen, erforderten und erfordern noch immer viele manuelle Eingriffe. Mit Hilfe von beispielsweise Robotic Process Automation (RPA) kann die Eingabe von Daten in staatliche Webportale automatisiert werden, um die Genauigkeit zu verbessern und die vorgeschriebenen Zeitvorgaben einzuhalten. Durch die Automatisierung dieser Prozesse kann das Personal entlastet werden und dringend benötigte Ressourcen werden wieder freigesetzt.
Mit gutem Beispiel geht auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) voran. In Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie und den Europäischen Mitgliedsstaaten begann die EMA bereits im April 2020 mit der ersten Phase ihres verbesserten Schnellüberwachungssystems. Es soll dabei helfen, Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln, die zur Behandlung von Covid-19 auf Intensivstationen benötigt werden, zu verringern. Im Rahmen dieses Systems wird in jedem pharmazeutischen Unternehmen eine Kontaktstelle eingesetzt, die alle aktuellen und voraussichtlichen Engpässe für die zugelassenen Arzneimittel meldet. In einer zweiten Phase soll diese Überwachung auf eine breite Palette von Medikamenten ausgeweitet werden.
Der zu diesem Zweck bei der EMA implementierte Software-Roboter unterstützt die Überwachungs- und Meldeprozesse, indem er jedem Unternehmen eine maßgeschneiderte Vorlage mit der zu verfolgenden Menge an Arzneimitteln zukommen lässt. Im nächsten Schritt sammelt er die übermittelten Informationen, führt die notwendigen Aktualisierungen durch und meldet die Mängel in einer Masterdatei. Durch diese Prozessautomatisierung konnte der Zeitaufwand der manuellen Prozesse von rund 40 Tagen auf lediglich 7,4 Stunden reduziert werden. Auch die oft sehr langwierige und fehleranfällige manuelle Anpassung von Vorlagen und das Sammeln von Informationen aus verschiedenen Quellen wurde dank der Prozessautomatisierung eliminiert.
Impftermin-Planung
Die Organisation der Impftermine erfolgt in Deutschland ganz unterschiedlich. Die ursprünglich für alle Bundesländer vorgesehene Software-Lösung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und deren Tochter kv.digital wird gerade einmal von fünf Bundesländern genutzt. Der Rest setzt derzeit auf Anbieter aus der Privatwirtschaft oder hat in digitale Lösungen von Dienstleistern wie Doctolib, Accenture oder Telekom investiert, um die Registrierung von Impfanträgen aus der Bevölkerung zu verwalten. In Schleswig-Holstein werden auch Veranstaltungsplattformen wie Eventim für die Terminvergabe genutzt.
Diese Plattformen erfordern eine Back-End-Dateneingabe, gefolgt von einer klinischen Koordination zur Registrierung und Kommunikation mit den Patienten. Hier könnte Automatisierung eingesetzt werden, um Webportale und Registrierung synchron zu halten. Die Aufgabe der Software-Roboter wäre dann, nach doppelten Patientenprofilen zu suchen oder zum Teil auch neue Krankenaktennummern zu erstellen.
Der Einsatz von Automatisierung kann bei der globalen Priorisierung, Regelvalidierung und Prüfung sowie der Erstellung von Krankenaktennummern für geimpfte Patienten helfen. Im Zusammenhang mit der Planung von Impfterminen werden in Zukunft auch Outreach-Lösungen, die eine automatisierte und interaktive Sprachausgabe (IVR) für die Registrierung und Kommunikation beinhalten, vermehrt zum Einsatz kommen. Auch in diesem Fall kann die Prozessautomatisierung die Registrierung von Impfterminen über eine Sprachausgabe sowie über integrierte Chatbot-Lösungen unterstützen.
Digitale Impfdatensätze
Der Impfpass, in Deutschland traditionell ein gelbes Papierheftchen, soll bis 2022 digitalisiert werden. Bereits jetzt stößt diese Neuerung auf großen Anklang in der Bevölkerung. Fast zwei Drittel (64 %) würden dem Bitkom zufolge einen solchen Impfnachweis, etwa in Form einer App, befürworten. Die Vorteile einer digitalen Aufzeichnung liegen dabei auf der Hand: Impfdatensätze können, anders als ein Papierpass, nicht so einfach verloren gehen und der Nachweis einer erfolgten Corona-Schutzimpfung kann schnell und einfach erbracht werden.
Langfristig sollten diese Impfunterlagen digital in der ePA vermerkt sein. Jedoch muss darauf geachtet werden, dass diese international kompatibel sind, so dass geimpfte Bürger überall unmittelbar ihren Impfstatus nachweisen können. Automatisierung kann an dieser Stelle helfen, um den Zugang zu diesen Impfunterlagen zu aktivieren und zu kommunizieren.
Digitale Lösungen, wie zum Beispiel das von der University of Virginia entwickelte MyChart, könnten in Zukunft eingesetzt werden. Die Prozessautomatisierung kann bei der Aktivierung von MyChart und der öffentlichen Gesundheitskarte verwendet werden, um die Annahme des digitalen Karteisystems zu erhöhen. Auch Impferinnerungen, wie beispielsweise die zur zweiten Covid-19-Impfung oder Folgeimpfungen bei Reiseimpfungen, könnten so über automatisierte Text- und IVR-Erinnerungen kommuniziert werden.
Termine für Massenimpfungen
Das globale Ziel der Corona-Impfung ist klar: Bereits während der Einführungsphase sollen so viele Menschen, so schnell und sicher wie möglich, geimpft werden. In Deutschland wurden dafür seit Ankündigung des Impfstarts hunderte Corona-Impfzentren eingerichtet, die theoretisch tausende Personen täglich impfen könnten. Um solche Massenimpfungen reibungslos durchführen zu können, ist ein enormer organisatorischer und logistischer Aufwand nötig. Viele Regierungspräsidien suchen deshalb nach Freiwilligen, die neben dem eigentlichen Impfen, auch bei Aufgaben wie der Anmeldung, Berechtigungsüberprüfung und Dokumentation helfen. Die Schulung und Durchführung dieser Prozesse sind dabei mit einem Zeitaufwand verbunden, der sich auch auf die nachgelagerten Prozesse auswirkt.
Automatisierung könnte dabei helfen, den gesamten Prozess, beginnend bei der Anmeldung, zu rationalisieren, Wartezeiten zu reduzieren und die Datenqualität zu verbessern.
Lieferketten-Management
Allokationsmanagement ist ein globales Thema, mit dem sich Krankenhäuser täglich beschäftigen, um zum Beispiel Schutzausrüstungen (PSA) für ihre Mitarbeiter und das Klinikpersonal zu beschaffen. Auf dem Höhepunkt der Covid-19-Pandemie musste das Krankenhausmanagement zum Teil die zehn- bis zwanzigfache Menge ihres üblichen Bedarfs an medizinischem Equipment bestellen. Um zu große Rückstände bei der Beschaffung und Auslieferung dieser zu vermeiden, automatisierten manche Krankenhäuser daher ihren Bestellprozess. Die verfügbaren Mengen an Schutzausrüstung wurden somit vor Tagesbeginn abgeglichen, sodass bei einem Mangel proaktiv nach Ersatzquellen gesucht werden konnte. Automatisierung kann das Management der Impfstoff-Lieferkette unterstützen, indem sie die Zuteilung von Impfstoff-Sonderwünschen automatisiert und das Reporting von Fläschchen-/Chargendaten sowie das Hersteller-Reporting integriert.
Automatisierung kann in vielerlei Hinsicht dabei unterstützen, der Covid-19-Pandemie Herr zu werden und den Gesundheitssektor für die Zukunft insgesamt besser aufzustellen und zu stärken. Der Wandel von langsamen, manuellen Prozessen hin zu schnellen und skalierbaren Arbeitsabläufe in Krankenhäusern und dem Gesundheitswesen ist dabei ein erster wichtiger Schritt.
*Der Autor, Chris Zechmeister, ist Sales Leader (RVP) Healthcare/ Public sector/Energy & Utilities bei UiPath.
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