Risiko Polypharmazie Den Gefahren der Polymedikation digital entgegenwirken
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Wenn Patienten dauerhaft viele verschiedene Medikamente einnehmen müssen, steigt das Risiko für arzneimittelbezogene Probleme stark an. Die Folge sind nicht selten Krankenhauseinweisungen. Digitale Anwendungen können hier helfen, das Risiko zu senken – und so die Versorgung der Patienten zu verbessern.

„Manchmal vergesse ich das Herzmedikament drei Tage, aber das macht nichts, dann nehme ich die Tabletten an einem Tag nach“ – ein Vorgehen, das nicht nur gefährlich ist, sondern im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Gleiches gilt, wenn bei einer Polymedikation die Medikamente nicht oder nicht richtig aufeinander abgestimmt sind. Und diese Gefahr besteht: Eine Barmer-Studie aus dem Jahr 2022 fand heraus, dass Versicherte ab dem Alter von 40 Jahren rund 37 Diagnosen innerhalb einer Lebensdekade und zur deren Behandlung etwa 20 Wirkstoffe erhalten. Bei Menschen ab 80 Jahren sind es sogar eineinhalb Mal so viele. Im Schnitt besuchen die Patienten und Patientinnen dabei rund 21 Arztpraxen. „Für Ärztinnen und Ärzte ist es kaum möglich, angesichts der Komplexität der Arzneimitteltherapie den Überblick zu behalten und Medikationsrisiken einzuschätzen“, ist auch Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer, überzeugt.
Hilfe zur Selbsthilfe
Digitale Lösungen können hier helfen. Dabei verfolgen sie allerdings unterschiedliche Ansätze: Tantum Sana fokussiert sich etwa auf Patienten und Apotheken. „Technik und Digitalisierung sind Hilfsmittel, um einen Prozess effizient und gut zu steuern. Was wir entwickelt haben, ist ein intelligenter Medikamentenspender, der beim Menschen zuhause steht“, erklärt Geschäftsführer und Co-Founder, Gerd Meyer-Philippi. Herkömmliche Tablettensetzkästen seien schließlich keine große Hilfe. „Die Sortierung – morgens, mittags, abends – ist sehr grob und bildet häufig nicht die Realität ab: Manche Patienten haben sieben oder acht verschiedene Einnahmezeitpunkte bis in die Nacht rein“, so Meyer-Philippi. Auch vor der Einnahme falscher Tabletten schütze ein solches Hilfsmittel nicht.
Für den mit einer App gekoppelten Dispenser arbeitet das Unternehmen daher mit Apotheken zusammen. Dort bringt der Patient all seine Rezepte hin, der Apotheker oder die Apothekerin überprüft diese und erstellt einen ausführlichen Medikationsplan. Dieser wird in die Cloud und von dort in die App geladen. Die Tabletten füllt der Apotheker in sogenannte Schlauchblister ab, die anschließend nur noch in das Gerät eingelegt werden müssen. „Sobald ein Medikament fällig ist, meldet sich der Medikamentenspender durch akustische und optische Signale und zeigt auf dem dazugehörigen Tablet Aspekte, die bei der Einnahme beachtet werden müssen – etwa, dass das Medikament eine halbe Stunde vor dem Essen genommen werden muss. Das ist wichtig, da einige Medikamente zum Beispiel bei anschließendem Kaffee- oder Milchkonsum nicht wirken“, erklärt Meyer-Philippi. Auf Knopfdruck wird schließlich genau das Medikament ausgegeben, das für diesen Zeitpunkt geplant ist. „Wenn eine gewisse Karenzzeit überschritten und das Medikament nicht abgerufen wurde, werden automatisch vorab festgelegte Notfallkontakte – etwa die Kinder oder der Pflegedienst – informiert. Damit haben wir auch eine Einnahmekontrolle.“
Eine Erleichterung für Pflegekräfte und Angehörige. „Die Pflegedienste fahren die Patienten bis zu vier Mal am Tag an, nur um zu überprüfen, ob diese ihre Medikamente genommen haben. Das ist mit 15 Euro pro Tag nicht nur teuer, sondern auch eine Verschwendung von Zeit und Personal – auch in Hinblick auf die schon knappen Fachkräfte“, ist Meyer-Philippi sicher.
Gleichzeitig böte das System den Apotheken auch die Möglichkeit, einen weiteren Schritt in Richtung Dienstleister zu machen. Aufgrund des demographischen Wandels, aber auch wegen der Onlinekonkurrenz, werden von aktuell 18.000 Apotheken in den kommenden Jahren weitere 4.000 schließen müssen, schätzt er und schließt: „Im Gesundheitssystem hat jeder seine Daseinsberechtigung, seine Skills. Der Arzt ist dafür zuständig, die Krankheit zu diagnostizieren und zu behandeln. Der Apotheker ist dafür zuständig, die Dosierung und die Medikamente aufeinander abzustimmen und festzustellen, ob etwas nicht stimmt, beispielsweise eine Doppelbehandlung vorliegt.“
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