Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission zu Gesundheitsdaten Patientenwohl muss oberstes Ziel bleiben

Von Nicola Hauptmann Lesedauer: 3 min

Das im Koalitionsvertrag angekündigte Gesundheitsdatennutzungsgesetz wird mit Spannung erwartet. Nun klinkt sich auch die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer mit einer ausführlichen Stellungnahme in die Diskussion ein.

Ärztinnen und Ärzten spielen eine zentrale Rolle, wenn es um Vertrauen und Akzeptanz in die Forschung mit Gesundheitsdaten geht
Ärztinnen und Ärzten spielen eine zentrale Rolle, wenn es um Vertrauen und Akzeptanz in die Forschung mit Gesundheitsdaten geht
(© Alexander Raths - stock.adobe.com)

Datenschutz und Datenschatz – in diesem Spannungsfeld wird die Nutzung von Gesundheitsdaten meist betrachtet. Mit ihrer aktuellen Stellungnahme bringt die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO) einen neuen Aspekt in die Diskussion ein: die Datenarbeit. Unter diesem Begriff fasst die ZEKO die nötigen Prozesse zusammen, um „vor Ort geschaffene Behandlungsdaten in eine nutzbare Ressource für Qualitätssicherung, Zertifizierung und weitere sekundäre Zwecke wie Forschungsanwendungen zu verwandeln.“

Schon heute ist absehbar, dass an die medizinische Dokumentation von Behandlungsprozessen neue Anforderungen gestellt werden, damit diese angemessen informationstechnisch erfasst und für die Forschung gewinnbringend genutzt werden können

Prof. Dr. Jochen Taupitz, Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission

„Behandlungsdaten sind in der Regel nicht einfach vorhanden und müssen lediglich zusammengeführt werden. Um sie tatsächlich nutzen zu können, müssen sie standardisiert erhoben werden“, erklärt die Federführende der zuständigen ZEKO-Arbeitsgruppe Prof. Dr. Ingrid Schneider.

Es geht dabei eben nicht nur um klinische Routinedaten. Gerade bei den sogenannten Volkskrankheiten wie auch bei epidemiologischen Fragestellungen seien Behandlungsdaten aus der ambulanten Versorgung „von enormer wissenschaftlicher Relevanz.“

Deren Dokumentation sei komplex und anspruchsvoll, erfordere auch Gegenkontrollen, wie in der Stellungnahme ausgeführt wird. Vor allem aber ist diese standardisierte Dokumentation mit Mehrarbeit für die Ärztinnen und Ärzte verbunden. Dieser erhöhte Dokumentationsaufwand dürfe aber nicht zulasten der Patienten gehen, weder zeitlich noch inhaltlich. Die ZEKO weist hier auf einen Zielkonflikt hin: Es sei zu befürchten, dass „möglicherweise künftig weniger die authentischen Anliegen der Patient:innen im Vordergrund des Behandlungsgesprächs stehen, sondern diejenigen Anforderungen, die seitens der Software an die Behandelnden herangetragen werden.“ Die Verfasser beziehen sich dabei auch auf Erfahrungen aus dem bereits stark digitalisierten dänischen Gesundheitssystem.

Data-Governance-Strukturen

Auch Patientenautonomie und Umsetzungsmodelle wie Opt-in /Opt-out-Ansatz oder Broad Consent werden ausführlich besprochen. Allen Modellen der Vorab-Zustimmung, ob durch Broad Consent oder eine Widerspruchslösung, sei eines gemeinsam: Die Verantwortung für Kontrolle, Nutzen-Risiko-Abstimmung und Passgenauigkeit der Zustimmung wird auf Dritte verlagert, auf die Forschungsstellen, Ethik-Kommissionen, Treuhandstellen. Daher gelte, „je weniger Kontrolle die einzelnen Patient:innen über die Verwendung der Daten haben, desto höher müssen die Anforderungen an Transparenz, Auskunfts- und Rechenschaftspflicht und Vertrauenswürdigkeit dieser Kontrollinstanzen sein.“ Als Beispiel wird auf die Governance-Prozesse verwiesen, die im Rahmen der Medizininformatik-Initiative (MII) bzw. des FDPG entwickelt wurden.

Auch für die ePA-Nutzung sei eine entsprechende Aufsicht im Aufbau und deren Struktur einsehbar, das gelte jedoch nicht für die Vertrauensstelle beim Robert-Koch-Institut (RKI), die für das Forschungsdatenzentrum beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig ist und lediglich eine zweistufige Pseudonymisierung der Behandlungsdaten gesetzlich Versicherter durchführt.

Treuhandstellen und eine neue Berufsgruppe

Daher sieht die ZEKO in ihren Empfehlungen auch vor, entsprechende Transparenz-, Auskunfts- und Rechenschaftsstrukturen sowie Treuhandstellen zu schaffen – wie auch laut Daten-Governnance-Verordnung und EHDS gefordert. Zudem wird angemahnt, den „Flickenteppich“ zu beseitigen, der die Verarbeitung von Patientendaten ohne deren Zustimmung gesetzlich regelt. Mittelfristig sollte eine neue Berufsgruppe geschaffen werden, die sich speziell der Datendokumentation widmet und so die Gesundheitsfachberufe entlastet. Auch sollte der Dokumentationsaufwand für die Bereitstellung von Behandlungsdaten für Forschungszwecke angemessen vergütet werden, jedoch ohne falsche Anreize zu setzen.

Zusätzlich wird angeregt, zur Beratung bei komplexeren Fragen zum Datenmanagement, auch zur ePA-Nutzung, Beratungsstellen einzurichten.

Weitere Informationen

Die Zentrale Ethikkommission (Zentrale Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten) bei der Bundesärztekammer hat in ihrer Stellungnahme zur „Bereitstellung und Nutzung von Behandlungsdaten zu Forschungszwecken“ die Chancen und Risiken der Gesundheitsdatennutzung untersucht. Dazu wurde im Vorfeld auch ein Expertengespräch geführt mit:

  • Lena Dimde, Produktmanagerin ePA, gematik GmbH
  • Dr. rer. nat. Johannes Drepper, Wissenschaftlicher Referent, TMF e.V.
  • Dr. rer. nat. Steffen Heß, Leiter Forschungsdatenzentrum Gesundheit, BfArM
  • Prof. Klaus Hoeyer, Department of Public Health, Centre for Medical Science and Technology Studies, University of Copenhagen

Die Stellungnahme der ZEKO wurde in der Sitzung vom 23.11.2022 verabschiedet und am 3. März 2023 von der Bundesärztekammer veröffentlicht.

(ID:49231222)

Jetzt Newsletter abonnieren

Wöchentlich die wichtigsten Infos zur Digitalisierung im Gesundheitswesen

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung