Dr. Markus Leyck Dieken im Interview „Stehen vor wegweisenden Entwicklungen“

Das Gespräch führte Natalie Ziebolz Lesedauer: 6 min

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Die Gematik soll zur Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes ausgebaut werden. Was bedeutet das für das Mitspracherecht der Leistungserbringer? Gematik-Geschäftsführer Markus Leyck Dieken über die Folgen der Digitalisierungsstrategie, die Kritik am Vorgehen der Gematik und das eRezept.

Dr. med. Markus Leyck Dieken, Internist, Notfallmediziner und seit Juli 2019 Alleingeschäftsführer der Gematik
Dr. med. Markus Leyck Dieken, Internist, Notfallmediziner und seit Juli 2019 Alleingeschäftsführer der Gematik
(© Marc-Steffen Unger)

Herr Leyck Dieken, wie würden Sie den aktuellen Stand der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen beschreiben?

Leyck Dieken: Die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland ist digital, davon bin ich überzeugt. Für uns als Gematik ist dabei entscheidend, dass die Digitalisierung mit Mehrwerten für Versicherte und Leistungserbringer verknüpft ist, also mit Lösungen, die die medizinischen Versorgungsprozesse spürbar verbessern und den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer entsprechen. An diesem Punkt sind wir aktuell zwar noch nicht angekommen, gleichwohl aber auf einem guten Weg.

Aus dieser Perspektive heraus und mit der kürzlich vorgestellten Digitalisierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums im Blick, stehen wir nun vor wegweisenden Entwicklungen. Die ePA für alle wird kommen, das eRezept wird flächendeckend eingeführt, digitale Identitäten werden künftig eine zentrale Rolle für digitale Anwendungen im Gesundheitswesen spielen. Uns erwarten also spannende Monate im Zeichen wichtiger Entscheidungen und Veränderungen. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass wir erst am Anfang der Digitalisierung stehen. Vielmehr schreitet die umfassende digitale Vernetzung des Gesundheitswesens unaufhörlich voran. Immer mehr Institutionen des Gesundheitswesens haben sich an die Telematikinfrastruktur angebunden – auch diese Tendenz wird sich fortsetzen, etwa mit Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen, die nun mit dazu kommen. Wir befinden uns also mitten in einem digitalen Veränderungsprozess und ich freue mich, dass wir als Gematik den Auftrag haben, diesen gemeinsam mit allen Akteuren im Gesundheitswesen zu gestalten.

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgestellte Digitalisierungsstrategie soll nun Schwung in die digitale Transformation des Gesundheitswesens bringen. Wie bewerten Sie die Strategie?

Leyck Dieken: Wir begrüßen, dass mit der Digitalstrategie und den beiden Gesetzesvorhaben die Digitalisierung tatkräftig vorangetrieben und dem unkomplizierten Zugang zu digitalen Gesundheitsanwendungen für alle Bürgerinnen und Bürger eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dass ePA, eRezept und Co. einfach und komfortabel genutzt werden können und die Anwendungen einen echten Mehrwert für die Versorgung und Behandlung bieten, ist und bleibt für die Gematik ein zentraler Handlungsanker bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Für die Gematik bringt die neue Strategie auch einige Änderungen mit sich. Sie soll zu einer Digitalen Gesundheitsagentur ausgebaut werden. Was heißt das genau? Sollten nicht eigentlich Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken und die Krankenkassen ein größeres Mitspracherecht haben?

Leyck Dieken: Der Weg zur Digitalagentur ist mit dem Koalitionsvertrag gestartet. Die sich nun aus der Digitalstrategie ergebenden Veränderungen sind auch ein Zeichen der Anerkennung der Arbeit der Gematik und ein Learning der vergangenen Jahre. Diese Veränderungen sind wichtig, um die Digitalisierung in Deutschland weiter zu beschleunigen. Die Digitalisierungsstrategie gibt der Gematik Rückenwind und neue Handlungsspielräume. Durch die noch engere Anbindung ans Bundesgesundheitsministerium werden wir schlagfertiger und können digitale Innovationen dadurch zielgerichteter vorantreiben.

Gleichwohl bleibt es ein zentrales Anliegen der Gematik, gemeinsam mit allen Akteurinnen und Akteuren des Gesundheitswesens diese große Aufgabe zu bewältigen. Wir schauen deshalb zuversichtlich in die Zukunft und sind eng mit dem Bundesgesundheitsministerium und allen Beteiligten im Austausch, um diese Transformation zu gestalten.

„Das derzeitige Vorgehen von Politik und Gematik erinnert fatal an die Fehler der vergangenen Jahre bei der Digitalisierung, in denen Anwendungen teilweise unausgereift als verbindlich erklärt wurden“, so die KBV in Bezug auf die verpflichtende Einführung der ePA. Zunächst müssten dem Verband zufolge technische und datenschutzrechtliche Fragen geklärt werden. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Leyck Dieken: Bei den Entwicklungen und Spezifikationen aller Produkte richtet sich die Gematik konsequent an den Nutzerbedürfnissen aus. Dafür wurde eigens eine Anpassung unserer Prozesse vorgenommen – wir bezeichnen das als „value4users“. Die User Experience wird damit mehr als jemals zuvor zu einem zentralen Erfolgsfaktor bei der Entwicklung digitaler Lösungen. Damit wir den Bedürfnissen von Nutzerinnen und Nutzern gerecht werden, ist es daher besonders wichtig, dass wir mit ihnen den Dialog weiter ausbauen. Dazu haben wir beispielsweise mit Hamburg als Modellregion für digitale Gesundheit erst kürzlich einen Partner an unsere Seite bekommen, mit dem wir gemeinsam digitale Anwendungen erproben und im Netzwerk gemeinsam an neuen digitalen Lösungen arbeiten.

Das bereits angesprochene Digitalgesetz wird Verantwortlichkeiten außerdem nicht mehr so stark auf mehreren Schultern verteilen, sondern die End2End-Verantwortlichkeit stärker bei der Gematik bündeln, was gewährleisten wird, dass wir unsere Anwendungen vom Konzept über die Spezifikation bis hin zum endgültigen Produkt ganzheitlich und eigenverantwortlich umsetzen, betreuen und pflegen können.

Jedes Produkt, das wir als Gematik freigeben, wird vorher von zwei Bundesinstituten auf seine Sicherheit geprüft – also auch die elektronische Patientenakte. Wir veröffentlichen unsere Sicherheitsstandards auf unserer Website und fordern die IT-Community auch aktiv auf, uns auf mögliche Probleme hinzuweisen. Das Sicherheitsniveau unserer Anwendungen ist also sehr hoch.

Auf der nächsten Seite: TI-Verweigerer und Einlösewege für das eRezept

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