Cloud-Technologien im Gesundheitswesen Die Cloud als Motor der Medizinforschung
Mehr als 150 Millionen Fälle von COVID-19 und mindestens 3,2 Millionen Todesfälle wurden bisher weltweit von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Zuge der COVID-19-Pandemie gemeldet. Im Kampf gegen das Virus gibt es jedoch auch Fortschritte. So hat Deutschland kürzlich einen neuen Meilenstein beim Impfen erreicht: 59 Prozent der Bevölkerung sind bereits vollständig geimpft, und ihr Anteil steigt täglich.

Weltweit arbeiten Gesundheitsdienstleister, Ärztinnen und Ärzte, Pharmafirmen, Forscherinnen und Forscher, Pflegekräfte und Freiwillige Hand in Hand, um die Corona-Krise zu bewältigen. Eine Vielzahl neuer Anwendungen aus der Cloud unterstützt sie dabei. Dadurch kann die gesamte Branche schneller auf die Bedrohung durch COVID-19 reagieren, Menschen in schwierigen Situationen helfen und mehr Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten verfügbar machen.
Zu Beginn belastete COVID-19 das Gesundheitswesen mit einer Flut an Patientinnen und Patienten, die dringend behandlungsbedürftig waren. Im Laufe der Krise kamen weitere unerwartete Herausforderungen hinzu – etwa durch die Maßnahmen zum Social Distancing, die möglichst viele Menschen schützen sollen. Zugleich führte die Krise zu einer rapiden Ausweitung der Forschungsbemühungen, um lebensnotwendige Impfstoffe und Therapeutika zu entwickeln. Sämtliche Vakzine und Behandlungsmethoden mussten so schnell wie möglich analysiert und verstanden werden, um Leben zu retten. Außerdem waren unzählige Fehlinformationen im Umlauf, was dem medizinischen Fachpersonal die Auskunft erschwerte.
Jede dieser Herausforderungen hat viel Zeit, Ressourcen und Personal im Gesundheitswesen gebunden und zu einem steigenden Bedarf an innovativen digitalen Lösungen geführt.
Cloud Computing während der Pandemie
Die Bereitstellung von Cloud-Technologie unterstützt das Gesundheitswesen bei einer Vielzahl von Aufgaben. Dazu zählen unter anderem die Untersuchung der Ausbreitung von COVID-19, das Überwachen der Auswirkungen der Krise, das Testen der Bürgerinnen und Bürger, das Entschlüsseln von Reaktionen des Immunsystems, die Entwicklung von Therapeutika und der Start von Impfstoffkampagnen.
Zu den Vorteilen der genutzten Cloud-Technologie zählt nicht nur die Bereitstellung schneller Services. Dank maschinellen Lernens lassen sich damit auch viele manuelle Prozesse intelligenter, schneller und weniger repetitiv gestalten – etwa die Entwicklung von Impfstoffen, die Erforschung von Therapeutika und die Versorgung von Patientinnen und Patienten vor Ort. Dies beschleunigt wiederum den Weg von der ersten Idee bis zum Einsatz. Lebensrettende Behandlungen sind damit bereits nach kurzer Zeit möglich.
Kurz gesagt: Cloud-Technologien verhelfen dem Gesundheitswesen zu schnellen Innovationen und wirkungsvollen Skalierungen – bei gleichzeitiger Einhaltung höchster Sicherheits- und Compliance-Anforderungen.
Unterstützung von Forschungsprojekten
Dazu zählen auch zwei der in Deutschland führenden Forschungsinstitutionen, die Technische Universität München (TUM) und die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Die beiden Hochschulen nutzen Cloud-Dienste von Amazon Web Services (AWS) und haben eine Forschungsinitiative ins Leben gerufen, um die Ausbreitung von COVID-19 zu bekämpfen. Dafür setzten sie eine neu entwickelte Open-Source-Lösung ein, die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der ganzen Welt ermöglicht, auf Bilddaten von COVID-19-Erkrankten zuzugreifen. Dies führte wiederum zur Entwicklung leistungsfähiger Algorithmen, mit deren Hilfe sich die Behandlung von Infizierten zu verbessern lässt.
Zwei weitere Digital-Health-Unternehmen, Smart Reporting (Deutschland) und Thirona (Niederlande), entwickeln mithilfe von Cloud-Technologien eine Bilddarstellung auf Basis von Computertomographie zur COVID-19-Diagnose. „Normalerweise dauert es mehrere Jahre, bis aus akademischer Forschung ein echtes und brauchbares Produkt entsteht“, erklärt Dr. Wieland Sommer, Gründer und Geschäftsführer von Smart Reporting. „Uns ist dies in drei Monaten gelungen – sogar bei firmenübergreifenden Produkten [mit Thirona]. Das war nur dank der Cloud-Technologie und der gemeinsam genutzten Infrastruktur möglich.“
Auch andere Forschungsvorhaben in Europa profitieren von der Cloud. In Frankreich startete beispielsweise das Theoretical Chemistry Laboratory der Universität Sorbonne ein Projekt, um das Virus auf molekularer Ebene besser zu verstehen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren darauf angewiesen, große Datenmengen in hoher Geschwindigkeit zu verarbeiten (sog. High Performance Computing), um die verschiedenen Proteine modellieren zu können. Durch den Einsatz von Cloud-Technologie konnte das Labor die notwendigen Berechnungen in weniger als sechs Monaten abschließen – statt in mehreren Jahren.
In ähnlicher Weise nutzt das italienische gemeinnützige Forschungsprojekt AlforCOVID die Cloud, um den Krankheitsverlauf bei COVID-19-Infizierten in Kliniken vorherzusagen. Das Hauptziel: die Erstellung eines KI-Modells (Künstliche Intelligenz) zur Prognose der gesundheitlichen Entwicklung. Röntgenbilder des Oberkörpers und medizinische Aufzeichnungen dienen dabei als Trainingsdaten.
Impfstoffentwicklung und Versorgung von Patientinnen und Patienten
Viele Menschen wollten ihre erste Impfdosis so schnell wie möglich erhalten. Die Cloud-Technologie hat dabei geholfen, ihnen diesen Wunsch zu erfüllen. Die Entwicklung, Verwaltung und Verteilung des Vakzins erfordern allerdings innovative und moderne IT-Systeme. Nur damit lässt sich sicherstellen, dass die Bevölkerung den Impfstoff schnell erhält. Beispielsweise nutzen die Wissenschaftler von Moderna die Cloud, um die klinische Prüfungsphase zu verkürzen. Auch insgesamt hat die Cloud dazu beigetragen, die Agilität der Forschungs-, Entwicklungs- und Herstellungsprozesse zu verbessern. Einige der heutigen Ergebnisse wären bis vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen – etwa personalisierte Krebsimpfstoffe.
Bei der medizinischen Versorgung boomen derzeit digitale Plattformen. Sie vereinfachen und beschleunigen die Interaktion zwischen Patientinnen und Patienten und Ärztinnen und Ärzten und zeichnen sich gleichzeitig durch eine hohe Nutzerfreundlichkeit aus. Ein Beispiel hierfür ist das deutsche Online-Portal cleverq, dass mithilfe der Cloud ein Ticketsystem innerhalb einer digitalen Umgebung bereitgestellt hat. Die Technologie wird bereits in deutschen Impfzentren zur Terminverwaltung und zur Vereinbarung von Zweitimpfungen eingesetzt.
Über die Krise hinaus
Wir haben einen entscheidenden Moment in der Pandemie erreicht: Die Gesundheitsbranche sucht derzeit nach Partnern und Möglichkeiten, digitale Innovationen zu beschleunigen. Denn nur damit lassen sich die Herausforderungen der Pandemie und der Branche im Allgemeinen bewältigen. Die Erkenntnisse aus entsprechenden Projekten sollen dazu dienen, bessere Behandlungen im großen Maßstab zu ermöglichen und mehr Leben zu retten. Viele Entwicklungen helfen bereits jetzt dabei, das Virus zu verstehen und zu behandeln. Wichtig ist jedoch auch, die neuen Möglichkeiten auf andere Krankheiten wie Krebs anzuwenden. Das hätte weitreichende Auswirkungen für das gesamte Gesundheitswesen.
Das Unternehmen STAT-UP – ein AWS-Partner – hat beispielsweise ein Simulations- und Szenario-Planungs-Tool namens STAT-UP CoronaCare Dashboard (SUCC-D) entwickelt. Damit können Krankenhäuser in Deutschland und Spanien ihren Ressourcenbedarf während der COVID-19-Krise besser einzuschätzen. Mittelfristig soll sich SUCC-D auch für andere Anwendungen erweitern und auf die spezifischen Anforderungen einzelner Krankenhäuser zuschneiden lassen – etwa um die Auswirkungen geplanter Investitionen zu berechnen. Ziel ist es, ein nachhaltiges Werkzeug zur regionalen Bedarfsplanung für staatliche und kommunale Einrichtungen zu entwickeln.
Die Zukunft des Cloud Computing im Gesundheitswesen bleibt spannend. Die Geschwindigkeit der Innovationen und Anwendungen wird sich aber nur verbessern, wenn Organisationen und Unternehmen die Wirksamkeit dieser Technologie auch vorleben. Entscheidend ist dabei, dass die Neuerungen und Optimierungen bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten auf der ganzen Welt sichtbar und spürbar werden.
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