Medizininformatik-Initiative (MII) ePA soll „forschungsoffen gestaltet sein“

Autor Julia Mutzbauer |

Die Beteiligten der Medizininformatik-Initiative (MII) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wollen sich dafür einsetzen, dass künftig Routinedaten der Krankenversorgung deutschlandweit für die medizinische Forschung zur Verfügung stehen. Dazu sollen alle Universitätskliniken Deutschlands – an derzeit über 30 Standorten – gemeinsam mit weiteren außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Industriepartnern gemeinsam Datenintegrationszentren aufbauen sowie Lösungen für konkrete Anwendungsfälle entwickeln.

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Das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) will sich dafür einsetzen, dass die geplante elektronische Patientenakte (ePA) von Beginn an forschungsgeeignet ist
Das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) will sich dafür einsetzen, dass die geplante elektronische Patientenakte (ePA) von Beginn an forschungsgeeignet ist
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Laut Christian Luft, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gibt die Medizininformatik-Initiative wichtige Impulse in Bezug auf die Datennutzung für die Gesundheitsforschung. Die Initiative habe mit einem bundeseinheitlichen Mustertext zur Patienteneinwilligung, einem standortübergreifenden Kerndatensatz und der Verwendung von HL7 FHIR als Datenaustauschformat bereits einen wichtigen Beitrag für die Standardisierung geleistet.

Das BMBF kündigte weiter an, bereits im kommenden Monat die Terminologie SNOMED CT bereitstellen zu wollen, um wichtige Vorarbeiten für die geplante nationale Einführung im Jahr 2021 zu ermöglichen. Dazu will das BMBF bis 2021 rund 160 Millionen Euro in das Förderprogramm investieren.

Zudem sollen die Konzepte der MII im Rahmen der neuen Fördermaßnahme „Digitale FortschrittsHubs Gesundheit“ durch weitere stationäre und niedergelassene Versorger erprobt werden. Das BMBF will sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass auch die geplante elektronische Patientenakte (ePA) von Beginn an forschungsgeeignet ist: „Wenn Deutschland als Forschungs- und Entwicklungsstandort eine gute Rolle spielen soll, wenn Patientinnen und Patienten nicht nur durch ein Weniger an Bürokratie, sondern vor allem durch ein Mehr an Gesundheit von der Digitalisierung profitieren sollen, dann muss die elektronische Patientenakte forschungsoffen gestaltet sein“, so Luft.

Bei einer Veranstaltung der MII präsentierte Dr.Thomas Kostera, Leiter der „#smarthealthsystems-Studie“ der Bertelsmann-Stiftung, erste Übersichten aus einer forschungsbezogenen Sonderauswertung. Demnach war Deutschland zum Studienzeitpunkt in Sachen Sekundärdatennutzung noch Schlusslicht im Studienvergleich. Mit den vorgenommenen und anstehenden gesetzgeberischen Weichenstellungen sowie den Vorarbeiten der MII bestunden nun aber gute Voraussetzungen, um zu den Spitzenreitern aufzuschließen.

Laut der Studie gehört Israel zu den wenigen Ländern, in denen bereits heute strukturierte Daten aus dem Versorgungsalltag national für Forschungszwecke zur Verfügung stehen. Die Leiterin Digitalisierung im dortigen Gesundheitsministerium Esti Shelly habe in einer Keynote von der digitalen Transformation der Gesundheitsversorgung in Israel berichtet. Ein zentraler Erfolgsfaktor sei die Möglichkeit, aus den auf der „Eitan“-Plattform in internationalen Standards vorliegenden Daten in einem offenen eHealth-Ökosystem Versorgungsinnovationen zu generieren.

Mit der Vorstellung des Entwurfes für ein Patientendaten-Schutzgesetz nehme die Diskussion über den vertrauensvollen Rahmen einer zukünftigen Nutzung von Routinedaten für die medizinische Forschung auch in Deutschland weiter an Fahrt auf, heißt es weiter. Gematik-Geschäftsführer Dr. med. Markus Leyck Dieken habe den Willen zur engen Zusammenarbeit mit der Medizininformatik-Initiative betont, um weiter aufzuholen.

In diesem Zusammenhang stellte der gematik-Chef den weiteren Fahrplan für eine bereits im Jahr 2023 forschungskompatible elektronische Patientenakte vor: „Die elektronische Patientenakte wird langfristig zu einer individuellen, biologischen Datenbank der Patientinnen und Patienten mit ihrer Geschichte. Bei fundamentalen Krankheiten werden wir dank der verfügbaren Gesundheitsdaten Zusammenhänge früher entdecken können.“

Die Vertreter von MII, gematik und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) sind zudem zuversichtlich, dass mit der gemeinsamen Festlegung auf international akzeptierte Standards, die Interoperabilität im deutschen Gesundheitswesen eine wichtige Hürde genommen hat. KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel bekräftigte das gemeinsame Ziel aller Beteiligten, zügig zu einer einheitlichen Sprache in der digitalen Medizin zu gelangen – vom Uniklinikum bis zum niedergelassenen Arzt. Die Verständigung auf die Terminologien SNOMED CT und LOINC sei dabei eine wichtige Wegmarke.

Luft betont: „Das Potenzial der Digitalisierung ist im Bereich des Gesundheitswesens enorm – für effizientere Prozesse, für mehr Patientensicherheit und vor allem für eine bessere Versorgung“. Prof. Hans-Ulrich Prokosch (an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) vom Nationalen Steuerungsgremium der MII warnte dabei vor einem zu restriktiven Forschungszugang zu den in der ePA enthaltenen medizinischen Informationen: „Die Möglichkeit, über das geplante Forschungsdatenzentrum für Sozialdaten anonymisierte Daten zu nutzen, ist nicht für alle Forschungsfragen geeignet. Wir benötigen als Ergänzung unbedingt eine Verknüpfbarkeit mit einwilligungsbasierten Forschungsvorhaben, die pseudonymisierte Daten nutzen, etwa um im Rahmen von Langzeitstudien Spätfolgen von Erkrankungen und Therapien nachverfolgen zu können.“

Die Medizininformatik-Initiative etabliere für diesen Zweck schon heute eine nachhaltige, international voll anschlussfähige Forschungsdateninfrastruktur, die über ein nationales Zugangs- und Patientenportal als One-Stop-Gateway für validierte und vollständige Daten der klinischen Versorgung fungieren könne.

Für CDU/CSU-Forschungspolitiker Stephan Albani MdB ist die MII ein wichtiges Rückgrat der Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem, heißt es. In einem nächsten Schritt gelte es nun, vergleichbare Investitionen auch in der Breite der Versorgungslandschaft auf den Weg zu bringen. Entscheidend für die weitere Akzeptanz sei ein Höchstmaß an Transparenz.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion B90/Grüne, Maria Klein-Schmeink MdB, unterstützte den Wunsch der MII-Beteiligten, schnellstmöglich zu einer deutschlandweit einheitlichen Rechtspraxis bei der Einholung der Patienteneinwilligungen zu gelangen. Wichtig sei allerdings auch, eine ernsthafte gesellschaftliche Debatte über eine zukünftige Forschungsdatennutzung zu führen. Hieran müssten alle Akteure, aber insbesondere auch die Patientenorganisationen beteiligt werden.

Prokosch zufolge schaffe die MII bereits einen effektiven und vertrauenswürdigen Rechtsrahmen, der als Vorbild gelten könne. „In der MII haben wir gezeigt, dass unsere Prozesse und Datenstrukturen für die Datenzusammenführung geeignet sind. Eine Datennutzung erfolgt ausschließlich auf Grundlage einer informierten Einwilligung, Daten werden ausschließlich in anonymisierter beziehungsweise pseudonymisierter Form zusammengeführt. Nutzungsanträge werden durch ein ‚Use & Access-Komitee‘ strikt auf die Einhaltung aller technisch-organisatorischen Datenschutzanforderungen geprüft und müssen immer von einer unabhängigen Ethikkommission befürwortet werden.“, so Prokosch.

Entscheidend sei nun, dass die Datenschutzbehörden zeitnah eine Verständigung zu dem von der MII vorgelegten Entwurf eines bundeseinheitlichen Einwilligungsformulars erzielten. Laut MII zeigt eine Umfrage, dass die Bereitschaft der Menschen zu einer „Datenspende“ groß ist. Prokosch spricht sich dafür aus: „Es muss auch in Deutschland möglich sein, dass wir die Menschen rechtssicher fragen können, ob sie mit ihren Behandlungsdaten medizinische Forschung unterstützen möchten“.

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