DiGAV-Entwurf bvitg: Zu hohe Hürden für die Hersteller
Der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) kritisiert den aktuellen Entwurf zur Digitalen-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV), den das Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) Ende Januar vorgelegt hat. Laut Aussage des Verbands stellt der Gesetzentwurf die Hersteller vor zu große Herausforderungen.
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Der bvitg erklärt in seiner Stellungnahme: „Trotz des grundsätzlich richtigen Ansatzes gibt es an einigen Stellen Nachbesserungsbedarf am vorliegenden Verordnungsentwurf. Zum einen stellt das Verfahren in der hier skizzierten Form die Hersteller vor deutliche finanzielle und organisatorische Herausforderungen hohe Kosten für Studien, über 120 zu erfüllende Anforderungen“.
Zum anderen sei fraglich, ob das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die anstehenden Aufgaben angesichts einer sehr dünnen Personaldecke adäquat bewältigen kann. Zudem fänden einige hochrelevante Themen überhaupt keine oder fast keine Berücksichtigung im Verordnungsentwurf.
Sebastian Zilch, Geschäftsführer des bvitg warnt: „Bereits die notwendige Zertifizierung nach der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) stellt gerade kleinere Unternehmen vor immense Herausforderungen ihre Anwendungen in die Versorgung zu überführen“. Zilch weiter: „Es ist bedauerlich, dass die Auflagen in der Verordnung die Zugangschancen für digitale Gesundheitsanwendungen zusätzlich einschränken. Die Forderung nach Pilotstudien bereits zur Antragseinreichung widerspricht dem Ansinnen des DVG. Dort war vorgesehen, dass der positive Versorgungseffekt erst während der Erprobungsphase nachgewiesen wird“.
Eine große Zahl an vielversprechenden Produkten würde an den aktuellen Anforderungen der DiGAV scheitern. Dies gelte insbesondere für Anwendungen, die sich auf Künstliche Intelligenz stützen, da diese von der EU-Zertifizierung heute nahezu ausgeschlossen seien. „Der bvitg fordert die Bundesregierung deshalb auf, sich mit Nachdruck für eine entsprechende Anpassung des europäischen Rechtsrahmens einzusetzen, um auch solchen Anwendungen den schnellen Zugang in die Regelversorgung zu ermöglichen“, so der Verband.
Laut dem bvitg fehlen dem vorgelegten Entwurf folgende Punkte:
- Konkrete Vorgaben für Methoden und Verfahren bezüglich eines standardisierten sektorübergreifenden Austauschs von Gesundheitsdaten,
- klarstellende Passagen zur Haftung v on verschreibenden Ärzten und Herstellern,
- Regelung, unter welchen Bedingungen eine DiGA aus dem Verzeichnis gestrichen werden darf (zum Beispiel mangelhafter Datenschutz, fehlende Robustheit u.a.) und
- Regelungen zum Verordnungs- und Abrechnungsverfahren: neben Ärztinnen und Ärzten sollten auch andere Berufsgruppen, z.B. Pflegekräfte, die Möglichkeit erhalten Anwendungen zu verordnen, deren Zweckbestimmung eine Nähe zu den Tätigkeitsinhalten der verordnenden Person aufweist.
Datenschutz und -sicherheit
Der DiGAV-Entwurf sieht vor, dass die Hersteller personenbezogene Daten nur mit Einwilligung des Versicherten verarbeiten dürfen. In diesem Zusammenahng verweist der bvitg darauf, dass bei digitalen Gesundheitsanwendungen, die infolge einer Verschreibung genutzt werden, – anstatt der Einwilligung – ein Behandlungsvertrag die Rechtsgrundlage darstellen würde. „Digitale Gesundheitsanwendungen sind in diesem Fall analog zu von der GKV finanzierten Heil- und Hilfsmitteln zu sehen“, so der Verband.
Der bvitg ergänzt: „Sollte eine Einwilligung eine notwendige Bedingung der Datenverarbeitung sein, könnte ein Hersteller nach deren Widerruf die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen nach der Verordnung (EU) 2017/745 oder dem Medizinprodukte-Durchführungsgesetz nicht gewährleisten. Zudem sollte die Beschränkung auf einige wenige Verarbeitungszwecke aufgehoben werden. Eine missbräuchliche Verarbeitung wird zum Beispiel bereits durch den Ausschluss der Nutzung zu Werbezwecken (Absatz 4) verhindert. Mit den erhobenen Daten können im Rahmen der medizinischen Versorgungsforschung aber gegebenenfalls wichtige Erkenntnisse gewonnen werden“.
Interoperabilität
Der Gesetzentwurf geht hinsichtlich der Verwendung von Schnittstellen lediglich auf einen Datenaustausch mit „vom Versicherten genutzten Medizingeräten oder mit vom Versicherten getragenen Sensoren zur Messung und Übertragung von Vitalwerten“ ein. „Da für die im Kontext dieser Verordnung relevanten digitalen Gesundheitsanwendungen eine Verschreibung vorgesehen ist, muss jedoch auch eine Übertragung von Daten in das Primärsystem der entsprechenden Leistungserbringer möglich sein“, so der bvitg
Regelungen zu positiven Versorgungseffekten
Laut bvitg würde die Regelung, dass die „maßgebliche Patientengruppe“ anhand eines oder mehrerer ICD-10-Codes zu bestimmen ist, angesichts einer komplexen Versorgungsrealität zu kurz greifen. Es bleibe unklar, wie angesichts dieser Regelung Anwendungen den Weg in das DiGA Verzeichnis finden sollen, die sich nicht an eine durch ICD-Codes abgrenzbare Zielgruppe richten, beispielweise an pflegebedürftige Personen.
Das BMG fordert eine Veröffentlichung der Ergebnisse von Studien, mit denen ein positiver Versorgungseffekt nachgewiesen werden soll. Dieser Punkt sei aus zwei Gründen problematisch. Zum einen würden entsprechende Studien unter Umständen Geschäftsgeheimnisse enthalten, zum zweiten würden sie personenbezogen Daten erheben. „Eine lückenlose Veröffentlichung der genannten Daten wäre alles andere als zielführend und ist aus Sicht des bvitg auch nicht notwendig“.
Außerdem kritisiert der Verband, dass der Hersteller bei einem Antrag für die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis zum Zweck der Erprobung bereits eine Pilotstudie einreichen müsse, um den nachzuweisenden positiven Versorgungseffekt zu begründen. Damit gehe der Verordnungsentwurf über das Digitale-Versorgung-Gesetz hinaus und die Regelungskompetenz des BMG sei nicht gegeben.
Der bvitg fügt hinzu: „Nichtsdestotrotz ist die Intention des Gesetzgebers nachvollziehbar und richtig, dass der vom Hersteller einzureichende Antrag gut begründet sein sollte. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass der positive Versorgungseffekt erst während der Erprobungsphase nachgewiesen werden soll. Die Forderung nach einer Studie bereits bei Antragseinreichung ist daher nicht der richtige Weg. Dies sollte im Verordnungstext entsprechend formuliert werden“.
Verfahren für die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis
Der DiGAV-Entwurf schreibt vor, dass das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte binnen drei Monaten über den Antrag des Herstellers auf vorläufige Aufnahme einer digitalen Gesundheitsanwendung in das DiGA-Verzeichnis zu entscheiden hat. Der bvitg fordert in seiner Stellungnahme: „Um den betroffenen Unternehmen Planungssicherheit zu ermöglichen und sie zu einem entsprechenden Antrag zu ermutigen, sollte diese Zeitangabe auch für Anträge auf eine dauerhafte beziehungsweise langfristige Aufnahme ausgedehnt werden. Zudem sollte das BfArM im Sinne der Transparenz und der Weiterentwicklung des Verfahrens die Gründe benennen, die zu Annahme oder Ablehnung des jeweiligen Antrags geführt haben“.
Die ausführliche Stellungnahme des bvitg finden Sie hier
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