Kontroverse: Impfpflicht „In einer Diktatur würden wir eine solche Debatte nicht führen“
Der Deutsche Bundestag hat über die Vor- und Nachteile einer Impfpflicht debattiert. Dazu lag kein expliziter Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor – im Rahmen dieser Orientierungsdebatte wurden aber mehrere Umsetzungsvarianten einer Impfpflicht sowie der vollständige Verzicht auf ein solches Gesetz diskutiert.

Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz erreicht fast täglich neue Rekordwerte, die Menschen lernen das griechische Alphabet mit jeder neuen Virusvariante ein bisschen besser kennen und die Omikron-Variante des Corona-Virus ist in Deutschland zur dominierenden Variante geworden. Klingt summa summarum nach einem ungemütlichen Jahresbeginn und einer schwierigen Ausgangslage für die neue Bundesregierung, die soll – so die Oppositionsfraktion der CDU/CSU – nun vor allem eins tun: endlich handeln!
Kann das denn Diktatur sein?
„In einer Diktatur würden wir eine solche Debatte nicht führen“, stellte Takis Mehmet Ali, Bundestagsabgeordnete der SPD-Fraktion, am Mittwochabend fest. In den vergangenen Jahren wurde in Teilen der Bevölkerung – und auch in Teilen des Parlamentes selbst – von den „diktatorischen“ Zügen der Corona-Politik gesprochen. Eine freie Debatte – über das Für und Wider einer Impfpflicht und wie eine solche im Zweifelsfall aussehen könne – wäre in einer Diktatur sicherlich nicht möglich gewesen.
Impfpflicht? Und wenn ja: Wie?
Im Parlament herrschte, mit Ausnahmen vonseiten der AfD-Fraktion, Konsens über die Wichtigkeit und Wirksamkeit der Impfungen in der Corona-Pandemie. Ob es aber zu einer Impfpflicht kommt und wie diese aussehen sollte – da schieden sich die Geister der Parlamentarier und Parlamentarierinnen.
Viele – wie auch Wolfgang Kubicki von der FDP – sprachen sich gegen eine Impfpflicht aus. Kubicki empfand den Tag seiner letzten Impfung zwar als seinen persönlichen „Freedom-Day“, warnte aber davor, die Impfungen mit einer Pflicht weiter zu politisieren. Auch sein Parteikollege und Bundesjustizminister Marco Buschmann mahnte im Debattenverlauf zur Vorsicht. Er selbst könne sich noch nicht abschließend für ein Für oder Wider der Impfpflicht aussprechen. „Wir müssen mildere Alternativen prüfen“, so der Bundesjustizminister.
Aber auch in den Reihen derer, die eine Impfpflicht für sinnvoll und verhältnismäßig angesichts der steigenden Fallzahlen durch die Omikron-Variante halten, gab es Diskussionsbedarf. So schlug die SPD-Abgeordnete Heike Baehrens eine befristete allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren vor.
Prof. Dr. Andrew Ullmann aus der FDP-Fraktion warb ebenfalls für ein zurückhaltendes Vorgehen: Zunächst sollten alle ungeimpften Bürger und Bürgerinnen ein verpflichtendes Aufklärungsgespräch über die Impfungen erhalten. Sollte die nötige Impfquote dann nicht erreicht werden, wäre er für einen Impfnachweis ab 50 Jahren. Für eine Impfpflicht ab 50 warb auch die Grünen-Abgeordnete Dr. Kirsten Kappert-Gonther.
Parteipolitik oder Arbeitsverweigerung?
Aus der Unions-Oppositionsfraktion hörte man an diesem Mittwoch überwiegend Beschwerden über das Verfahren der Debatte selbst. Viele Abgeordnete aus den Reihen von CDU und CSU störten sich nämlich am Format der Orientierungsdebatte und bemängelten das Fehlen eines konkreten Gesetzesentwurfs zur Impfpflicht. „Die Regierung verweigert die Arbeit – sie legt keinen Entwurf vor. (...) Das ist Arbeitsverweigerung der Bundesregierung“, so Andrea Lindholz (CSU) bei der Bundestagsdebatte zur Impfpflicht. Ein Impfregister sei, so Lindholz, notwendig.
Bundesgesundheitsminister, Prof. Dr. Karl Lauterbach, quittierte das Verhalten der Union in der Orientierungsdebatte auf Twitter wie folgt: „Das ist wirklich schade. Die Debatte zur Impfpflicht wird von der CDU für Parteipolitik genutzt. Es geht nur darum, ob es einen Regierungsentwurf zur Impfpflicht geben sollte. Ethik, Medizin und Recht leider kaum ein Thema.“
Lauterbach, der während der Debatte nicht auf der Regierungsbank saß, sondern im Plenum selbst, sprach sich für eine Impfpflicht aus. „Die Impfpflicht ist der Weg zurück in die Freiheit!“ so Lauterbach kurz vor Ende der Bundestagsdebatte.
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